Der britische Gesundheitsdienst NHS bittet Premierminister Johnson um einen einmonatigen Aufschub des Brexits. Ein harter Austritt in der Corona-Krise berge große Gefahren.
Das werde dem NHS Zeit geben, sich aus der "unmittelbaren Gefahrenzone" zu bringen, heißt es in einem Brief der NHS-Spitze an den britischen Premierminister Boris Johnson, der in der Nacht zum Mittwoch veröffentlicht wurde. Denn dann könne sich der Dienst auf die Bekämpfung der Pandemie konzentrieren, ohne dass ein No-Deal-Brexit "störende Veränderungen" mit sich bringe.
Eine grassierende Virus-Mutation, endlose Staus an den Häfen und am Eurotunnel, und die Sorge vor den Konsequenzen eines No-Deals: Kurz vor dem Ende der der Brexit-Übergangsfrist hat Corona die Lage in Großbritannien nochmals verschärft.
Experten: Medizinische Versorgung gefährdet
Großbritannien verlässt zum Jahresende den EU-Binnenmarkt und die Zollunion. Kommt in den verbleibenden Tagen kein Handelspakt mehr mit der EU zustande, drohen höhere Zölle und andere Handelshemmnisse, die nach Ansicht von Experten auch Auswirkungen auf die Versorgung mit Medikamenten und medizinischen Gütern haben dürften.
Der NHS befürchtet zudem, dass Rettungswagen aufgrund von Lastwagenstaus vor allem in der südostenglischen Grafschaft Kent am Ärmelkanal, einem Zentrum der Corona-Infektionen, nicht rechtzeitig die Patienten erreichen könnten. Johnsons Regierung hat eine Verlängerung der Übergangsphase bisher strikt abgelehnt.
Noch ist wenig bekannt, über die neue Corona-Variante - doch die EU reagiert alarmiert. Stefan Leifert in Brüssel und Diana Zimmermann in London mit einer Einschätzung der Lage.
Größte Herausforderung für den NHS
"Am 1. Januar wird der NHS in der traditionell geschäftigsten Zeit des Jahres gegen die größte Herausforderung in seiner Geschichte antreten", heißt es in dem Schreiben weiter.
Derzeit werden fast 19.000 Corona-Patienten in britischen Kliniken behandelt. Wegen der raschen Ausbreitung einer neuen Virus-Variante wird eine weitere Zunahme der Infektionen befürchtet. Die Belegschaft sei müde und erschöpft, betont die NHS-Führung.
Deshalb werde Johnson dringend gebeten, "die Übergangsfrist um einen Monat zu verlängern und dem NHS einige kostbare zusätzliche Wochen zu erkaufen".