Wenige Stunden sind die Corona-Beschlüsse alt, da muss sie Kanzlerin Merkel im Bundestag verteidigen. Die Opposition findet vieles falsch. Noch ist keine Zeit fürs Verzeihen.
Wer gibt schon gerne Fehler zu? Das fällt niemandem leicht. Dass sie in Ausnahmesituationen wie einer Pandemie passieren, ist verständlich. Wo läuft aber die Grenze, zwischen Verzeihlichem, Vermeidbarem, gar Mutwilligem?
Dass die Auffassung darüber zwischen Bundesregierung und Opposition kräftig auseinander geht, liegt in der Natur der Sache. Doch so eindeutig ist das nicht immer.
Merkel: Wir waren nicht vorsichtig genug
"Wir waren nicht vorsichtig und nicht schnell genug", sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in ihrer Regierungserklärung, nachdem sie mit den Ländern am Mittwochabend um die neuen Corona-Maßnahmen gerungen hat. Im Herbst, so Merkel, habe man "nicht konsequent genug" das öffentliche Leben runtergefahren. Deswegen seien die Corona-Infektionen wieder exponentiell gestiegen. Soll das durch die Mutanten nicht wieder passieren, könne es noch keine großen Lockerungen geben.
Die Regierungserklärung von Kanzlerin Merkel in voller Länge.
Oft schon hat die Kanzlerin ihre Politik verteidigt, indem sie Fakten aufzählte. Das scheint ihr in dieser Ausnahmesituation zu wenig:
Die Trauer um die Verstorbenen sei "immer im Raum, wenn wir entscheiden". Sie kenne die Not der Wirtschaft, sagt sie. Und bittet um die Geduld, diesen Winter noch durchzuhalten: "Ich weiß, dass das keine leichte Bitte ist."
Viele Dinge sind Merkel zufolge in der Krise aber auch richtig gelaufen. Keine Notfallzulassungen für Impfstoffe? "Dazu stehe ich." Erst seit Mittwoch Anträge für die Wirtschaftshilfe drei? "Das, was versprochen wurde, ist eingehalten worden." Zu wenig Zahlen zu den Mutanten? "Wir tun gut daran", sagt Merkel, an den Experten "nicht zu zweifeln". Kein gemeinsamer Plan für Schulen- und Kitas? Sie hätte es anders gemacht, aber es gibt "eine eigenständige Kultushoheit der Länder".
Linke und Grüne fordern mehr Selbstkritik
Die Fehleranalyse der Opposition sieht völlig anders aus. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sieht bei Merkel "null Selbstkritik, viel Selbstgefälligkeit":
Wenn Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) die Fehler bei den Wirtschaftshilfen nicht sehe, wie dieser gesagt habe, "dann muss er wirklich mal zum Augenarzt gehen", rät Bartsch.
Ähnlich sehen das die Grünen. Die Unternehmen, die Soloselbstständigen "100 Tage ohne Hilfe" zu lassen, so Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, sei ein "riesiges Versagen der Bundesregierung". Und: Wenn die Kanzlerin sich bei den Kitas und Schulen nicht durchsetzen könne, dann solle der Bund wenigstens mehr Hilfen zur Verfügung stellen, damit diese "mit mehr Phantasie" geöffnet werden könnten. Friseure zu öffnen, "ist keine Strategie", das sei nur ein "Bonbonchen".
So reagiert die Opposition
-
-
-
-
AfD: Arroganz der Macht
Was FDP und AfD der Kanzlerin vorwerfen, schwankt zwischen Mutwilligkeit und purer Absicht. "Sie wollen keinen Perspektivplan", wirft FDP-Chef Christian Lindner ihr vor. Ihre Regierungserklärung sei enttäuschend, genau so wie die Erwartungen an die Beschlüsse mit den Ländern, in die der Bundestag schon wieder nicht einbezogen worden sei:
Die Maßnahmen seien "bestenfalls einfallslos, mit Sicherheit aber nicht alternativlos."
Noch deftiger sind die Vorwürfe der AfD. Von einer "Arroganz der Macht" spricht Fraktionschefin Alice Weidel. Merkel lege vorher fest, was in den Runden mit den Ländern herauskommen solle. Verfassungsbruch sei das alles. Der Abgeordnete Sebastian Münzenmeier kritisiert, die Bundesregierung verbreite eine "politisch gewollte Panikmache", "vorsätzlich" würden Ängste zu den Mutanten verbreitet.
Gesucht: Strategie für künftige Fehler
Bleiben die Vorschläge, um Fehler künftig zu vermeiden. Sie kommen auch aus den Regierungsparteien. Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus fragt: "Warum wird in Alten- und Pflegeheimen so viel gestorben?" Wie könne man sicherstellen, dass neue Bewohnerinnen und Bewohner in den Heimen geimpft werden? Warum gibt es für die Terminvergabe beim Impfen immer noch kein gutes System? Das sei "würde- und respektlos" gegenüber der Generation 80 plus, so Brinkhaus.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hält zwar das Vorgehen der Regierung für "angemessen, notwendig und gut begründet". Macht aber Druck: Der Fragenkatalog zum Thema Impfen sei "berechtigt" gewesen, "endlich" würden sich jetzt alle kümmern. Stockende Wirtschaftshilfen? Keine Schuld der SPD, sondern des CDU-Bundeswirtschaftsministers: "Wir erwarten, dass die finanziellen Hilfen ankommen."
Man werde sich nach der Pandemie vieles verzeihen müssen, hatte Gesundheitsminister Jens Spahn mal gesagt. Noch ist die Zeit dafür nicht reif.
Unions-Fraktionschef Brinkhaus fordert eine Aufarbeitung der Corona-Pandemie.