Neue Regeln: China ohne Corona-App = China ohne Kontrolle?

    Neue Regeln:China ohne Corona-App = China ohne Kontrolle?

    Miriam Steimer - Leiterin ZDF-Studio Peking
    von Miriam Steimer, Peking
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    Um Mitternacht soll Chinas landesweite Corona-Tracking-App abgeschaltet worden sein - eine Folge der angekündigten Lockerungen der Regeln. Bedeutet das auch weniger Kontrolle?

    Es ist ein grüner Pfeil in einem grünen Kreis. Es gibt ihn auf Kaffeetassen, T-Shirts oder Handyhüllen. Im Null-Covid-China ist diese App so wichtig, dass Leute sogar Fan-Artikel mit dem Logo haben.

    Bewegungsprofil als Kontrolle

    Um Mitternacht soll die App abgeschaltet worden sein. Bisher wurde sie im ganzen Land benutzt, zusätzlich zu den lokalen Gesundheitsapps. Vor allem beim Reisen, also beim Wechsel zwischen den Gesundheitsapps unterschiedlicher Städte oder Provinzen, war sie wichtig: Häufig mussten wir sie zeigen, um zum Beispiel in einem Hotel einzuchecken oder in ein offizielles Gebäude zu kommen. Damit sollten wir nachweisen, dass wir in den vergangenen 14 Tagen nicht in einem Corona-Risikogebiet waren.
    Um das anzuzeigen, nutzt die App Mobilfunk-Daten. Die Logik: Hat das Handy mit einem Funkmast in einem Gebiet kommuniziert, in dem es einen Corona-Ausbruch gibt, ist der Handy-Besitzer potentiell gefährlich.

    Überwachung per Smartphone

    Das chinesische Regime hat die Corona-Pandemie genutzt, um unter dem Deckmantel des Gesundheitsschutzes die Überwachung seines Volkes weiter auszubauen. "China hat seinen Überwachungsstaat in nie dagewesener Weise zur Kontrolle der Menschen eingesetzt, hauptsächlich über die Smartphones", sagt Charles Rollet, Analyst der Überwachungsforschungsgruppe IPVM.
    Während viele Länder weltweit monatelang an Corona-Apps zur Kontaktverfolgung bastelten, hatte China schon Anfang 2020 so eine App. Der Grund: Die Infrastruktur, die zugrundeliegenden Daten, das alles war längst da und wurde fortan auch zur Eindämmung von Corona-Ausbrüchen genutzt.
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    Chinas Führung will die Kontrolle über das eigene Volk um jeden Preis. Xi Jinping soll jetzt zum Führer auf Lebenszeit ernannt werden.20.10.2022 | 28:37 min

    QR-Scan zur Ermittlung von Demonstranten

    Um in den Supermarkt, ins Büro oder den eigenen Wohnkomplex zu kommen, mussten die Leute zum Beispiel in Peking am Eingang den QR-Code scannen. Warum eigentlich, wenn der Staat diese Daten doch auch über andere Wege generieren kann?

    Das Scannen der QR-Codes ist der effizienteste und einfachste Weg, um genau zu wissen, wo die Leute sind.

    Charles Rollet, Analyst IPVM

    "Die anderen Methoden sind verfügbar und die Polizei nutzt sie, allerdings eher für das, was in China als Verbrechen angesehen wird", sagt Rollet weiter. Wie gut allein das funktioniert, zeigt zum Beispiel die Verfolgung der Menschen, die Ende November gegen die strengen Corona-Regeln demonstriert hatten - und anschließend Anrufe oder Besuche von Polizei und Staatssicherheit bekamen.

    App abgeschafft - Daten bleiben

    Im Umkehrschluss gilt: Selbst wenn nicht nur die App mit dem grünen Pfeil, sondern zukünftig auch die lokalen Corona-Apps abgeschaltet werden, die Daten bleiben. Wer war wann wo mit wem: Bewegungsprofile seiner Bürgerinnen und Bürger kann das chinesische Regime auch weiterhin einfach erstellen. Was ohne die Apps nicht mehr geht: Leute damit festsetzen, indem der Gesundheitscode einfach auf rot gestellt wird.
    Das geschah zum Beispiel im Sommer: Bei einem Banken-Skandal verabredeten sich verärgerte Kunden, die nicht mehr an ihr Erspartes kamen. Auf dem Weg zur Demonstration sprang bei vielen der Gesundheitscode plötzlich auf rot, ohne dass sie Kontakt mit einem Corona-Infizierten hatten. Sie kamen nicht an den Ort, wo die Demo stattfand.
    Wenn die Corona-Apps in China verschwinden, verschwindet damit ein Teil des Deckmantels, unter dem das Regime die Kontrolle seiner Bürgerinnen und Bürger weiter ausgebaut hat. Die Kontroll-Möglichkeiten selbst, die bleiben.

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