Das erste, was man lernt, wenn man in einer Diktatur lebt: Es gibt keine Neutralität. Sie will, dass man sich zu ihr bekennt, sie bejubelt, beklatscht und die Richtigen ausbuht.
Chinas Regierung bemüht sich, die Bekämpfung der Pandemie als Erfolgsgeschichte zu verkaufen. Aber Betroffene aus Wuhan zeichnen jetzt ein ganz anderes Bild.
Eine Diktatur lässt ihre Bürger nicht zufrieden. Wer nicht mitmacht, hat ein Problem. Worte haben Konsequenzen. Manchmal schreckliche. Das macht das Arbeiten als Journalist schwierig. Nicht um einen selbst sorgt man sich, sondern meistens um seine Interviewpartner.
Kritik hat Konsequenzen - Zhang Hai will dennoch erzählen
Vor allem, wenn sie Kritik üben an Chinas Machtelite und der kommunistischen Partei. Unsere Berichterstattung braucht solche mutigen Menschen, aber sie bringt sie auch in Gefahr. Das ist ein moralisches Dilemma. Diktaturen leben davon, dass man wegschaut, aber hinschauen kommt mit einem Preis, den oft nicht der Journalist bezahlt.
Zhang Hai ist bereit diesen Preis zu zahlen. Er ist bereit, sich in Gefahr zu bringen, vielleicht seine Freiheit zu riskieren. Er will mit uns Ausländern reden, weil die chinesischen Medien seine Geschichte nicht hören wollen.
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Corona in Wuhan verschwiegen - Vater gestorben
Wir treffen ihn in Shenzhen, in einem Hotel, dass er ausgesucht hat. Er will das Interview nicht bei sich zu Hause führen. Er fürchtet um seine Familie. Zhang Hais Vater ist an Corona gestorben. In Wuhan. Er war dort Anfang Januar für eine Routineoperation. Er wusste nicht, dass das Virus dort schon wütete. Sonst hätte Zhang Hai seinen Vater niemals dort hingebracht. Weil die Behörden die Gefahr verschwiegen, steckte sich sein Vater im Krankenhaus an.
Zhang Hai will eine Entschuldigung von der Stadtregierung in Wuhan. Er will, dass sie zugeben, einen Fehler gemacht zu haben. Deshalb hat er sie verklagt.
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Mehrfach Besuch von der Polizei
Die Kommunistische Partei macht aber keine Fehler. Schon gar nicht bei der Corona-Bekämpfung. Da spricht Chinas Elite lieber von einem Triumph, von einem Beweis für die Überlegenheit des chinesischen Systems. Zhang Hais Klage stört. Er ist ein David, der gegen einen mächtigen Goliath antritt. Er kann nicht gewinnen. Dreimal war die Polizei schon bei ihm. Lange werden sie nicht mehr seinem Treiben zuschauen.
Helden wirken manchmal so unscheinbar. Zhang Hai ist schmächtig, wirkt schüchtern, seine Augen sind traurig. Er will kein Held sein. Sein Großvater und sein Vater waren Kommunisten, er ist es auch. Er liebe sein Land, sagt er immer wieder. Er sei stolz, dass China das Virus so in den Griff bekommen habe. Aber am Anfang hätten sie halt gelogen. Dafür müsste jemand Verantwortung übernehmen. Zumindest eine Entschuldigung.
In Wuhan in China gab es die ersten Corona-Fälle Anfang des Jahres. Die Bilder verbreiten Angst und Schrecken. Schon bald erreicht das Virus Europa.
Dem Einzelnen eine Stimme geben
Er wird sie nicht bekommen. Deshalb wird er immer weiter machen. Zhang Hai ist ein Mensch, den man selten trifft. Er führt einen Kampf gegen einen übermächtigen Gegner, aber er kann nicht anders. Er will Gerechtigkeit. Er wird bestraft werden. Vielleicht verschwinden. Unser Bericht wird ihm in China nicht helfen. Aber er will, dass jemand sein Schicksal und Leid wahrnimmt.
Deshalb spricht er mit uns. Und wir berichten über seine Geschichte. Zhang Hai, der schmächtige Mann der das mächtige China herausfordert. Nicht einmal eine Fußnote wird es über ihn geben. Er hätte so viel mehr verdient.
Aussagen von Virologe Kekulé wurden von China dahingehend interpretiert, dass das Coronavirus sich gar nicht aus Wuhan ausgebreitet habe. Der widerspricht nun vehement.