Die chinesische Stadt Wuhan steht für den Ausbruch des Coronavirus. Heute erleben wir das Land als eine Art Gewinner der Pandemie. China scheint den "Volkskrieg" gewonnen zu haben.
Weltweit hat das Coronavirus die Wirtschaft in den Abgrund gerissen. In China, wo es erstmals festgestellt wurde, wächst sie in diesem Jahr wieder.
Chinas Corona-Geschichte hat gleich zwei Gesichter. Das eine ist das offizielle, in Form eines triumphierenden Präsidenten Xi, der vor den Augen der gesamten Welt eine Heldenfeier inszeniert und das Virus für besiegt erklärt. Xi sieht sich und sein Land als großen Gewinner des weltweiten Seuchenkampfs.
Die Erfolgsfaktoren sind
- niedrige Infektionszahlen,
- eine Wirtschaft, die wieder boomt
- und ein wachsender Machteinfluss.
China glaubt, das Duell der Werte zu gewinnen
Vor allem im Vergleich zum Konkurrenten USA habe sich das autoritäre System als erfolgreicher erwiesen - das ist Chinas Botschaft. Und die hämmert die kommunistische Partei ihrem Volk pausenlos ein. Das Duell der Weltmächte ist auch ein Duell der Werte. Xi glaubt auch hier zu gewinnen.
"Der Ausnahmezustand ist in der DNA der kommunistischen Partei drin", erklärt uns der China-Experte Professor Heilmann von der Universität Trier.
Diese Entschlossenheit offenbart uns das andere Gesicht Chinas in der Krise. Eines, dass die Machthaber eigentlich vor der Welt verstecken wollen. Der Volkskrieg, den China gegen das Virus führte, richtet sich auch gegen das eigene Volk: Wenn es nicht spurt, wenn es wagt, Kritik zu üben und auf die Schattenseiten des Virus hinzuweisen.
Sie habe Streit angezettelt und Ärger provoziert, begründete das Gericht in Shanghai die Strafe für Zhang Zhan. Ihr Anwalt sieht im Urteil eine Warnung an andere Kritiker.
China braucht Europa im Kampf gegen die USA
In China gibt es Helden, die unscheinbar wirken. Zhang Keke ist Anwalt und vertritt die, die den Mythos von der unfehlbaren kommunistischen Partei anzweifeln. Zum Beispiel Frauen wie Zhang Zhan, die in Wuhan als Bürgerreporterin unterwegs war. Sie zog mit ihrem Handy durch die Straßen, als Wuhan eine Geisterstadt war und filmte das wahre Chaos in den Krankenhäusern. Sie berichtete über die Leichen auf den Gängen und über die vielen Toten. Sie zeigte die dreckige, brutale Seite des Corona-Kampfes und sie klagte Chinas Machthaber an, weil sie das Virus zu Beginn verschwiegen hatten.
Ihre Geschichte passt nicht zur offiziellen Heldengeschichte, die die Staatsmedien verbreiteten. Dafür bekommt Zhang Zhan eine vierjährige Haftstrafe. Vier Jahre wegen ein paar Handyvideos.
China wirkt als hätte es mehr Angst, sich mit der Wahrheit zu infizieren als mit dem Virus. Denn Präsident Xi will, dass die Welt nicht so genau mitbekommt, wie er sein Land regiert. Seine Machtträume leben davon, dass vor allem Europa wegschaut. China braucht Europa im Kampf gegen die USA. Und Europa braucht China als Absatzmarkt für seine Produkte.
Nach fast siebenjährigen Verhandlungen steht nun ein Investitionsabkommen zwischen der Europäischen Union und China.
Das Corona-Jahr lief gut für Xi
Die Niederschlagung der Demokratiebewegung in Hongkong und die Arbeitslager in Xinjiang stören da nur beim Geschäfte machen. Das mit der EU-Spitze vereinbarte Investitionsabkommen am Ende des Jahres mag wirtschaftlich gut sein, aber moralisch hat es einen faden Beigeschmack.
Dieses schlimme Jahr war bitter für die Welt, für Chinas Machthaber lief es aber gut. Sie sind die Corona-Gewinner. Ihre Sicht auf die Welt, die autoritär, brutal und antidemokratisch ist, setzt sich immer durch. Der Westen dagegen schwächelt und versinkt im Viruschaos.
Ein Jahr Corona - kein gutes Jahr, wenn man an die Demokratie glaubt. Und eine Schutzimpfung für dieses verletzliche System ist nicht in Sicht.
Ulf Röller leitet das ZDF-Studio in Peking und berichtet aus China, Japan und von der koreanischen Halbinsel.