Die Covax-Initative versucht, Covid-19-Impfstoffe für arme Staaten zu beschaffen. Nach einem Exportstopp Indiens fehlen fast 200 Millionen Dosen. Andere Staaten wollen einspringen.
Zwei Schritte vor, einer zurück. Nach diesem Prinzip läuft es bei Covax seit Beginn der Corona-Pandemie. Die Initiative setzt sich für einen gerechten Zugang zu Covid-19-Impfstoffen weltweit ein. Für 92 ärmere Staaten ist sie oft die einzige Möglichkeit, an größere Mengen Impfdosen zu kommen.
Hinter Covax stehen die Weltgesundheitsorganisation (WHO), Unicef und andere Organisationen, darunter die Impfallianz Gavi, die viele der Lieferverträge aushandelt. Seit Februar 2021 wurden so mehr als 77 Millionen Impfdosen weltweit verteilt.
Indien stoppte seine Impfstoff-Exporte
Einen großen Rückschlag erlebte Covax, als Indien in Folge seiner katastrophalen Pandemie-Lage am 22. April alle Impfstoff-Exporte einstellte. Das Serum Institute of India (SII), Lizenznehmer für den Astrazeneca-Impfstoff, war ein wichtiger Lieferant.
Bis Ende Juni fallen so laut WHO Lieferungen über 190 Millionen Dosen für Covax aus. Laut Reuters könnte es sogar bis Oktober dauern, bis die Exporte wieder anlaufen.
So beschafft Gavi die Covax-Impfdosen
Gavi setzt mehr auf Marktwirtschaft als auf Aktivismus, wenn es für seine Abnehmer - oft die ärmsten Staaten der Welt - bessere Preise auszuhandeln versucht.
Wären jene Staaten auf sich allein gestellt, könnten sie sich die Preise der internationalen Pharmaunternehmen kaum leisten, argumentiert Gavi. Umgekehrt ist die Impfallianz nicht darauf ausgerichtet, Preis- und Besitzstrukturen dauerhaft zu verändern. Die Konzerne sitzen schließlich mit am Tisch.
Dafür wird Gavi von vielen Hilfsorganisationen seit Jahren kritisiert: Medico International oder Ärzte ohne Grenzen fordern nicht nur in der aktuellen Pandemie eine Aussetzung des Patentschutzes auf Produkte wie Impfstoffe.
Patente auf Impfstoffe aussetzen oder nicht?
Überraschende Unterstützung für solche Vorschläge kommt seit Anfang Mai aus den USA. Die neue US-Regierung macht sich für eine Initiative Indiens und Südafrikas stark, um bei der Welthandelsorganisation (WTO) bestimmte Patentregeln pandemiebedingt auszusetzen. Die EU lehnt das weiter ab.
Ob ein solcher Schritt eine positive Wirkung auf das Impfstoff-Angebot hätte, ist umstritten. Hersteller verweisen darauf, dass begrenzte Kapazitäten an diversen Faktoren hängen – etwa einem Mangel an Rohstoffen wie Lipiden oder der langen Vorlaufzeit, bis eine Produktionsstätte aufgebaut und genehmigt ist.
Tod und Patente
Stattdessen setzt Gavi auf die Vergabe von Produktionslizenzen der Hersteller untereinander. "Durch solche Technologietransfers ermöglicht Covax nicht nur freieren Zugang zum geistigen Eigentum der Hersteller, sondern hält sie auch dazu an, ihr Wissen zu teilen", so der Gavi-Sprecher.
Milliardenzusagen beim Weltgesundheitsgipfel
Eine Niederlage für Unterstützer der Patent-Aufhebung war der Welt-Gesundheitsgipfel am 21. Mai in Rom. Die Forderungen nach einer Patentbefreiung für Covid-Vakzine schafften es nicht in die Gipfel-Erklärungen.
Die großen Finanzierungslücken konnte Covax durch den Gipfel aber weitgehend schließen:
Insgesamt 8,3 Milliarden US-Dollar benötigt Covax für die Jahre 2020 und 2021. Rund 1,3 Milliarden Dollar stünden aktuell noch aus. Am Ziel, bis Frühjahr 2022 3,8 Milliarden Covid-Impfdosen weltweit auszuliefern, möchte Covax trotz der Lieferschwierigkeiten aus Indien festhalten. Von Seiten der großen Hersteller Pfizer/Biontech, Moderna und Johnson & Johnson gibt es bislang Zusagen über 1,3 Milliarden Impfdosen für ärmere Länder bis Ende 2021.
Reiche Staaten wollen Impfdosen abgeben
Einspringen sollen auch Industrienationen mit hohen Impfquoten und deutlichen Überkapazitäten. Die EU etwa sagte bis Jahresende Spenden von mindestens 100 Millionen Impfdosen zu, Deutschland stellt davon 30 Millionen Dosen.
"Wir appellieren weiterhin an die Weltgemeinschaft, Impfdosen unverzüglich mit Covax zu teilen, um jenen Ländern zu helfen, die am meisten von globalen Lieferengpässen betroffen sind", sagt Gavi.
Auch Privatpersonen können jetzt Impfdosen spenden
Ganz auf die Regierungen verlassen will sich Covax nicht und hat zusammen mit der WHO-Stiftung im Mai eine neue Möglichkeit zur Finanzierung aufgebaut: private Spenden.
Im Rahmen der "Go Give One"-Kampagne können Privatpersonen nun über eine Webseite Geld für Covax spenden. Mit sieben US-Dollar könne eine Impfdosis gekauft werden, schreibt die Stiftung.
- Faire Impfstoffverteilung? Gescheitert!
Eine globale Pandemie erfordert eine gerechte Verteilung von Impfstoffen. Doch aktuell sieht es anders aus: Der Impfstoff geht vor allem an die Reichen.