In Berlin sind hunderte Demonstranten auf die Reichstags-Treppe gelaufen, einige schwenkten Reichsflaggen. Politiker reagieren bestürzt. Auch die Polizei steht in der Kritik.
Die Bundesregierung hat die Ausschreitungen während der Proteste gegen Corona-Maßnahmen verurteilt. Demonstranten war es gelungen, die Absperrung am Reichstag zu durchbrechen.
Bundespolitiker wie Finanzminister Olaf Scholz haben die Tumulte vor dem Reichstagsgebäude in Berlin scharf kritisiert. "Unser Grundgesetz garantiert Meinungsfreiheit und das Demonstrationsrecht. Es ist die Antwort auf das Scheitern der Weimarer Republik und den Schrecken der NS-Zeit. Nazisymbole, Reichsbürger- und Kaiserreichflaggen haben vor dem Deutschen Bundestag rein gar nichts verloren", twitterte Scholz am Abend.
Ähnlich äußerte sich auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen. "Über dem Westportal des Reichstagsgebäudes steht "Dem Deutschen Volke". Die absolute Mehrheit der Deutschen will keine Reichsfahnen auf den Stufen zu ihrem Parlament sehen." Und weiter:
Demonstranten besetzen Treppen vor dem Reichstag
Am Abend hatten im Anschluss an eine Corona-Demonstration mehrere hundert Menschen Absperrungen am Reichstagsgebäude durchbrochen. Ein Video, das der Verein "democ" bei Twitter veröffentlichte, zeigt, wie sie Treppen zum Reichstag hochlaufen und dabei zum Teil Reichsfahnen schwenken. Das Video zeigt auch Rangeleien zwischen Demonstrierenden und Polizeibeamten.
Zehntausende haben zumeist friedlich bei einer Großkundgebung an der Siegessäule gegen die Corona-Politik protestiert. Einen zuvor geplanten Demonstrationszug löste die Polizei wegen Missachtung der Corona-Vorschriften auf.
Offenbar standen den Demonstrierenden nur drei Polizeibeamte im Weg. "Die Polizei war kurzzeitig völlig überfordert", so "democ". Die Gewerkschaft der Polizei Thüringen kritisiert, dass drei Polizisten "die letzte Bastion" gewesen seien. Das müsse geklärt werden. Der Account twitterte:
Thilo Cablitz, Sprecher der Berliner Polizei, verteidigte den Einsatz. "Wir können nicht immer überall präsent sein, genau diese Lücke wurde genutzt, um hier die Absperrung zu übersteigen, zu durchbrechen, um dann auf die Treppe vor dem Reichstag zu kommen." Laut Berliner Polizei sind bei dem Einsatz am Reichstag Steine und Flaschen auf Beamte geworfen worden. Man habe auch Zwang anwenden müssen.
In Berlin protestieren Zehntausende gegen die Corona-Politik. Nach Verstößen gegen die Corona-Auflagen hat „die Polizei sehr früh deutlich gemacht, welche Linie sie fährt“, berichtet ZDF-Korrespondent Carsten Behrendt. Insgesamt gab es 300 Festnahmen.
Schwarz-weiß-rote Flaggen online verbreitet
Insbesondere in den sozialen Netzwerken werden inzwischen symbolträchtige Bilder geteilt. Die Journalistin Karolin Schwarz berichtet, dass in rechtsextremen Kanälen Fotos mit schwarz-weiß-roten Reichsflaggen auf den Treppen des Reichstags verbreitet würden. In einem von ihr veröffentlichten Screenshot des Messengers "Telegram" ist zu sehen, wie ein Mann eine Reichsflagge vor der Aufschrift "Dem Deutschen Volke" schwenkt.
Insbesondere an diesem Bild übt Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) Kritik. "Reichsflaggen vorm Parlament sind beschämend", twitterte er. Auch Innenminister Horst Seehofer (CSU) nannte den Vorfall "unerträglich". Die Reichsflagge war zunächst unter anderem die Flagge des Kaiserreichs ab 1871. Ihre Farben schwarz-weiß-rot verwendeten später auch die Nazis.
Bereits vor einigen Tagen hatten rechtsextreme Gruppen im Zusammenhang mit der Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen zu einem sogenannten "Sturm auf Berlin" aufgerufen. Laut Innensenator Geisel waren bei den Kundgebungen in Berlin insgesamt viele Rechtsextreme und Reichsbürger anwesend.
Waren die Bilder von Reichsflaggen vor dem Reichstagsgebäude also bereits seit längerer Zeit geplant? Grünen-Politiker Dieter Janecek warnt davor, von einem "Sturm auf Berlin" zu reden. "Bloß nicht das Narrativ der Bekloppten übernehmen", sagt er. Auf die Treppe des Reichstagsgebäudes könne jede Schülergruppe "stürmen". Mehr aber auch nicht.
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