Die EU kritisiert die Grenzkontrollen in Deutschland als unverhältnismäßig und hat einen Beschwerdebrief verfasst. Die Bundesregierung verteidigt sich gegen die Kritik.
Deutschland gerät wegen der verschärften Einreiseregeln für Tschechien, die Slowakei und Tirol immer stärker unter Druck. Mehrere Vorgaben seien unverhältnismäßig oder unbegründet, heißt es in einem Beschwerdebrief der EU-Kommission an den deutschen EU-Botschafter Michael Clauß in Brüssel. Darin steht:
EU könnte vor Gericht gehen
Die EU-Kommission erwartet nun innerhalb von zehn Werktagen eine Antwort. Theoretisch könnte sie ein rechtliches Verfahren gegen Deutschland einleiten, dies gilt wegen der andauernden Pandemie aber als unwahrscheinlich.
Ähnliche Briefe gingen an Belgien, Ungarn, Dänemark, Schweden und Finnland, mit deren Grenzmaßnahmen die EU-Kommission ebenfalls nicht einverstanden ist. Auf Drängen der EU-Kommission beraten die Europaminister der EU-Staaten an diesem Dienstag über das Vorgehen an den Binnengrenzen.
Deutschland verteidigt die Grenzkontrollen
Vor der Videokonferenz verteidigte Europa-Staatsminister Michael Roth (SPD) die deutsche Entscheidung. Deutschland habe auf "die besondere Bedrohung" durch Virus-Mutationen reagieren müssen.
Roth betonte, der Schutz der Bevölkerung vor Virus-Mutationen habe "oberste Priorität". Ziel Deutschlands sei es auch, die Grenzkontrollen "so schnell wie irgend möglich" wieder aufzuheben.
Seehofer will Kontrollen verlängern
Tschechien, die Slowakei und Tirol gelten in Deutschland seit dem 14. Februar als Gebiete mit besonders gefährlichen Virusvarianten. Die Einreise ist somit bis auf wenige Ausnahmen verboten. Aus Sicht von Bundesinnenminister Horst Seehofer sollen die zunächst für zehn Tage angesetzten Grenzkontrollen verlängert werden. Der CSU-Politiker hatte Kritik der EU-Kommission an den deutschen Maßnahmen zuletzt brüsk zurückgewiesen.
Grundlage der Bedenken aus Brüssel ist, dass die EU-Staaten sich vor einigen Wochen auf gemeinsame Empfehlungen für das Reisen innerhalb der EU geeinigt hatten. Diese basieren auf einer Europakarte, auf der Regionen anhand gemeinsamer Kriterien farblich markiert werden.
Von den strengen Regeln zur Einreise aus Österreich und Tschechien soll es wenige Ausnahmen geben. Reisende werden an Kontrollstellen zurückgeschickt, ohne einen negativen Corona-Test ist kein Grenzübertritt möglich. Es gibt zahlreiche Beschwerden.
EU: Slowakei hat nur wenige mutierte Fälle
In dem vierseitigen Schreiben führt die EU-Kommission nun detailliert auf, welche Maßnahmen sie für unangemessen hält. Dabei betont die Behörde zunächst, dass in Tschechien und der Slowakei nach Angaben der EU-Gesundheitsbehörde ECDC bislang nur wenige Fälle der britischen Virusvariante entdeckt worden seien.
In mehreren anderen EU-Staaten liege der Wert höher. Deshalb wird um weitere Informationen gebeten, auf welcher Grundlage Tschechien und die Slowakei zu Virusvarianten-Gebieten erklärt worden seien.
Keine Ausnahmen für Familien
Auch mit den Ausnahmen, die für das Einreiseverbot gelten, ist die EU-Kommission unzufrieden. Für grenzüberschreitend lebende Familien etwa gebe es keine Ausnahme.
Ebenso hält die EU-Kommission die Vorgaben für Lkw-Fahrer für fragwürdig. Diese müssten auch dann einen höchstens 48 Stunden alten Corona-Test vorlegen, wenn sie die Variantengebiete nur durchquert hätten. Die Empfehlungen der EU-Staaten sähen hingegen vor, dass Verkehrsarbeiter in der Regel keinen Test machen müssten - und wenn doch, solle es ein Schnelltest sein. Falls es dadurch an den Grenzen zu Behinderungen komme, solle diese Regel aufgehoben werden.
Zudem fordert die Behörde Deutschland dazu auf, auch Corona-Tests auf Tschechisch und Slowakisch zu akzeptieren - und nicht nur auf Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch.
- Bundespolizei weist 16.000 Reisende ab
Die Bundespolizei hat in der letzten Woche fast 16.000 Personen an den Grenzübergängen zu Tschechien und Tirol abgewiesen. Mehr als 4.500 wollten ohne negativen Test einreisen.