Um Corona einzudämmen, sollen Bürger in Hotspots das Haus nur noch in einem kleinen Umkreis verlassen dürfen. Was bringt diese Maßnahme? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Nach langen Diskussionen ist es nun beschlossene Sache: Bund und Länder wollen eine Umkreisbeschränkung einführen. Wer in einem Risikogebiet mit mehr als 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern wohnt, soll sein Haus nur in einem Radius von 15 Kilometern verlassen dürfen. Wie sinnvoll sind solche Ausgangsbeschränkungen im Kampf gegen die Corona-Pandemie?
Die wichtigsten Fakten zur Umkreisbeschränkung.
Das spricht für Ausgangsbeschränkungen
"Ich würde das begrüßen, weil es tatsächlich Kontakte reduziert", sagt Professor Dirk Brockmann, der im Auftrag des RKI die Mobilität der Bevölkerung während der Krise analysiert. Weniger Mobilität bedeute weniger Kontakte und weniger Infektionen - deshalb sieht der Epidemiologe in einer solchen Beschränkung des Bewegungsradius grundsätzlich ein geeignetes Mittel im Kampf gegen das Infektionsgeschehen.
Der Blick in die Länder mit Ausgangssperren zeige, wie groß der Effekt dieser Maßnahme sei, so Brockmann. "Wie gut die Umkreisbeschränkungen wirken hängt also auch davon ab, wie groß der erlaubte Bewegungsradius ist."
Ähnlich sieht es auch Friedemann Weber vom Institut für Virologie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen:
Das Beispiel Irland zeigt, dass Beschränkungen auf einen Bewegungsradius zusammen mit anderen Maßnahmen erfolgreich sein können: Im Oktober ging das Land in einen strikten Shutdown, der Besuch eines anderen Haushalts war strikt verboten, Menschen durften sich nicht weiter als fünf Kilometer um ihren Wohnort aufhalten. Mit Erfolg: Die Infektionszahlen sanken.
Angela Merkel begründet die Entscheidung vor allem damit, dass dadurch touristische Tagesreisen verhindert werden sollen, "die dann zu großen Menschenansammlungen führen, obwohl gar keine Verabredung stattgefunden hat." In der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr waren Ski- und Touristengebiete teilweise voller als sonst, wie diese Datenauswertung zeigt.
In Corona-Hotspots wird der Bewegungsradius der Einwohner auf 15 Kilometer um den Wohnort begrenzt. Dazu aus dem thüringischen Eisenach ZDF-Korrespondentin Melanie Haack.
Das spricht gegen Ausgangsbeschränkungen
Unklar ist, wie groß der Effekt von solchen Beschränkungen auf das Infektionsgeschehen tatsächlich ist. Eine aktuelle Studie von Forschern der University of Oxford kommt zu dem Schluss, dass einfache Kontakbeschränkungen zwar grundsätzlich einen großen Effekt haben - aber zusätzliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit nur wenig zur Reduzierung des Infektionsgeschehens beitragen.
Auch Forscher der Universität Edinburgh haben in einer im Fachmagazin "The Lancet" erschienenen Studie den Effekt verschiedener staatlicher Maßnahmen auf die Ansteckungsrate in 131 Ländern ausgewertet. Demnach senkte ein Verbot öffentlicher Veranstaltungen die Rate am stärksten und ist als einzige Einzelmaßnahme statistisch signifikant: Im Mittel sank das Infektionsgeschehen binnen vier Wochen um knapp ein Viertel. Doch ausgerechnet die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit hatten lediglich einen geringen Effekt: Sie senkte das Infektionsgeschehen nur um sieben Prozent.
Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) hält die Pläne, in Thüringen Beschränkungen des Bewegungsradius einzuführen, für falsch. In einem Gespräch mit dem Magazin "Spiegel" wies er unter anderem darauf hin, dass die Maßnahmen von den Behörden nur schwer zu kontrollieren seien. Kritik kommt auch aus der Opposition im Bundestag: FDP-Chef Christian Lindner hält flächendeckende Ausgangsbeschränkungen für "unverhältnismäßig" und verweist darauf, dass ein fester Bewegungsradius völlig unterschiedliche Konsequenzen für Stadt- und Landbevölkerung haben würde.
Wie ist die rechtliche Situation?
ZDF-Rechtsexperte Felix Zimmermann hat bei den geplanten Maßnahmen verfassungsrechtliche Bedenken: "Eine Einschränkung des Bewegungsradius knüpft nicht an die Gefährlichkeit des Handelns an, also an der Zahl der konkreten Kontakte. Ein Ausflug in einen 16 Kilometer entfernten Wald wäre verboten, der Besuch der Nachbarsfamilie aber möglich. Das erscheint widersinnig und inkonsequent."