In England werden Massentests durchgeführt, um die Ausbreitung der südafrikanischen Corona-Variante zu verhindern. Die englische Variante mutiert und wird eventuell gefährlicher.
Ein großer Parkplatz in Woking, südöstlich von London. Einsatzkräfte schwärmen aus. Alle Personen über 16 in der Gegend sollen getestet werden. Sie klingeln an Haustüren, verteilen Schnelltests, die sie am Mittag wieder einsammeln.
80.000 Menschen in neun Regionen, vor allem im Süden Englands, sollen auf die südafrikanische Variante des Coronavirus getestet werden. Nachdem diese dort nachgewiesen wurde, ohne dass sich eine direkte Verbindung zu einer Reise oder Personen aus Südafrika, dem Land in dem B.1.351 erstmals entdeckt wurde, hätte nachweisen lassen.
Also Neuansteckungen finden, isolieren, die Ausbreitung stoppen - der Einsatzbefehl der Testfußtruppen und in den mobilen Testzentren ist klar. Nur jetzt kann es noch gelingen, die Variante einzudämmen. Taucht B.1.351 an noch mehr Orten auf, kann man eine weitere Verbreitung kaum noch aufhalten.
Ansteckender, tödlicher, resistenter?
Bei der südafrikanischen wie bei jeder Corona-Variante stellen sich drei Fragen, was die Wirkung auf das Infektionsgeschehen betrifft: Ist sie ansteckender, tödlicher - und wie wirksam sind die Impfstoffe? Nachdem B.1.1.7, die Variante, die erstmals im südenglischen Kent entdeckt wurde, sich als ansteckender erwiesen hat und Großbritannien im Januar den schlimmsten Monat der Pandemie beschert hat, ist man gewarnt.
Vor allem, da bisherige Studien zur südafrikanischen Variante nahelegen, dass sie die Wirksamkeit von Impfstoffen deutlich senken kann. "Wir haben klare Hinweise, dass die südafrikanische Variante die Wirksamkeit, je nach Impfstoff mal mehr, mal weniger, verringert. Aber bei Weitem nicht vollständig. Der Schutz ist immer noch hoch", beruhigt Professor Nick Loman, Immunologe an der Universität Birmingham.
"Besorgniserregend, aber nicht unerwartet"
Doch selbst wenn sich die südafrikanische Variante eindämmen lässt: In elf Proben von Erkrankten haben britische Forscher etwas nachgewiesen, was lange befürchtet wurde. Die Mutation mit dem Namen E484K, die auch in der südafrikanischen Variante zu finden ist und als die Veränderung identifiziert ist, die Impfstoffe weniger wirksam zu machen scheint, hat sich auch bei B.1.1.7 entwickelt.
"Es ist eine Kombination der Eigenschaften deutlich ansteckender und potenziell weniger empfindlich auf Impfstoffe reagierender in einer Variante", erklärt Professor Paul Hunter, Mikrobiologe an der Universität East Anglia. "Besorgniserregend, aber nicht unerwartet."
2021, das Jahr der Varianten
Tests laufen, um herauszufinden, wie sich E484K verhält. "Diese Mutation ist jetzt in mehreren Varianten aufgetreten, die sich unabhängig voneinander entwickelt haben", so der Immunologe Professor Ravi Gupta von der Universität Cambridge. "Das Positive ist, dass sich das Virus auf ähnlichen Wegen weiterentwickelt, was erleichtern dürfte, die Impfstoffe anzupassen und weiterzuentwickeln."
Auch deshalb geben sich die Hersteller optimistisch, dass sie ihre Produkte schnell anpassen können. Doch was an diesem einen Tag in der Pandemie in England zu sehen war, könnte ein Vorgeschmack sein. "2021 wird das Jahr der Varianten, keine Frage", so Devi Sridhar, Professorin für öffentliche Gesundheit an der Universität Edinburgh.
In den Analysen der Forscher sind viele unangenehme Botschaften verpackt. Je weniger Corona-Fälle, desto weniger Möglichkeit zur Mutation. Also weiter so viele Beschränkungen wie möglich. Schmelztiegel, in der viele Varianten aufeinandertreffen, gilt es zu vermeiden. Reisefreiheit ist nicht das Gebot der Stunde. Und der Weg aus der Pandemie ist gepflastert mit Stolpersteinen.