Distanzunterricht, abstürzende Server, fehlende Kontakte: KMK-Präsidentin Ernst will so schnell wie möglich zurück zu normalem Unterricht, warnt aber vor einem "fragilen Zustand".
ZDFheute: Zeugniszeit und Halbjahreswechsel: Welche Erwartungen haben Sie an das 2. Schulhalbjahr - wird es so verlaufen wie das 1. Halbjahr?
Britta Ernst: Wir sind ja die ganze Zeit in der Situation, dass wir die Zukunft eben nicht vorhersehen können. Wir haben natürlich gehofft, dass wir viel mehr Grundschüler und Grundschülerinnen in Deutschland in die Schulen lassen können. Das Infektionsgeschehen entwickelt sich auch erfreulich. Wir sind in vielen Bundesländern unter 100.
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Aber wir haben es hier mit einer Mutation zu tun und können die Lage im Moment nicht genau einschätzen. Im Moment ist die Situation sehr fragil.
ZDFheute: Wird man künftig die Lehrpläne ändern müssen?
Ernst: Unser Ziel ist eigentlich, komplett zu normalen Verhältnissen und zu normalen Lehrplänen zurückzukehren, insbesondere für das nächste Schuljahr. Wo wir hoffen, dass weite Teile der Bevölkerung geimpft sind, so dass wir wieder zu einer anderen Normalität kommen. In den vergangenen Monaten haben wir uns durchaus auf das Kerncurriculum konzentriert. Aber wir hoffen ja, dass wir aus der Situation wieder rauskommen.
In einer Kita in Freiburg ist möglicherweise die Corona-Variante aus Großbritannien ausgebrochen. Geplante Schulöffnungen in Baden-Württemberg werden deshalb vorerst gestoppt.
ZDFheute: Das heißt, die Schüler werden künftig wieder das lernen, was bisher im Lehrplan stand?
Ernst: Der Lehrplan wird erstmal nicht verändert, aber wenn wir Distanz- und Wechselunterricht haben, wissen wir, dass wir nicht alles so vermitteln, vor allem nicht für alle Schüler und Schülerinnen.
Selbst bei technisch gutem Videounterricht wissen wir, dass wir nicht so viel schaffen wie im normalen Präsenzunterricht.
Der Wechselunterricht an Grundschulen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg wird vorerst nicht starten. Hintergrund sind Fälle von Corona-Mutanten in einer Freiburger Kita.
ZDFheute: Wird sich nach den Corona-Einschränkungen digitaler Unterricht für die Schüler stärker durchsetzen oder wird es vor allem beim Präsenzunterricht bleiben?
Ernst: Präsenzunterricht mit der direkten Beziehung von Lehrkräften und Schülern und Schülerinnen ist das Beste. Aber er kann sehr gut ergänzt werden durch Phasen von Distanzunterricht, von Wechselunterricht. Das haben wir in den vergangenen Monaten alle gelernt. Und wir wissen, wie gut es auch Schülern und Schülerinnen tut, sich selber Dinge zu erarbeiten.
Die Videokonferenz ist ein gutes Format, das haben wir alle gelernt. Die Schüler und Schülerinnen haben es selber gesagt: In Mathematik und Physik ist die Lehrkraft unverzichtbar. Da stoßen wir mit dem Selbstlernen an Grenzen.
Das müssen wir schonungslos so analysieren. Aber er hat uns ja weit nach vorne gebracht.
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Bleiben die Schulen bis Ostern zu?Ab Mitte Februar soll der Shutdown nach und nach gelockert werden. Viele halten in diesem Zusammenhang Schulöffnungen jedoch für unrealistisch.
ZDFheute: Ist es wirklich nötig, die Schulen in Deutschland so rigoros zu schließen? Sind die Corona-Hotspots nicht woanders?
Ernst: Die Kultusministerkonferenz wünscht sich natürlich unbedingt, dass wir die Schüler und Schülerinnen wieder schnell in großer Anzahl in die Schulen bringen. Aber wir können uns ja vor dem Infektionsgeschehen auch nicht verstecken. Das ist so und wir wissen, dass die Eltern zwiegespalten sind - gleichzeitig macht man sich große Sorgen um Ansteckung auch in den Familien. Insofern gibt es beide Meinungen in der Bevölkerung.
Unsere Aufgabe ist es, für Deutschland verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen. Und da haben wir gesagt, die Schulen tragen nicht maßgeblich bei, wir sind nicht die Hotspots. Aber wir sind nicht außerhalb der Gesellschaft.
Wir hoffen, dass wir sehr schnell, mindestens im Wechselunterricht, mehr Schüler und Schülerinnen in die Schulen holen können. Und ich hoffe doch, dass wir mit dem Impfen vorankommen, so dass wir im Februar/März auch andere Perspektiven aufzeigen können.
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Schüler auf der VerliererseiteSie zählen zu den Corona-Verlierern: die Schüler. Wieder sitzen sie zuhause vor ihren Aufgaben - alleine, ohne echte Unterstützung.
ZDFheute: Sind Langzeitfolgen zu erwarten für die Generation der Schüler, die unter Corona-Bedingungen lernen muss?
Ernst: Erstmal haben wir ein großes Anliegen, dass die, die Abschlüsse machen, gut durchkommen - das Abitur, die mittleren Abschlüsse. Dafür haben wir gute Beschlüsse gefasst. Darauf sind wir auch eingestellt. Aber natürlich ist es so, dass die Schüler und Schülerinnen Defizite erlitten haben. Nicht alle sind auch mit der Isolierung klargekommen.
Und wir werden uns um die Schüler und Schülerinnen ganz besonders kümmern müssen in den nächsten Monaten - um das auch aufzufangen, was vielleicht nicht gut war. Und das ist nicht nur das Lernen, das ist auch die Einschränkung der sozialen Kontakte. Da bereiten wir uns aber darauf vor, dass wir den Kindern und Jugendlichen in den nächsten Monaten gut zur Seite stehen.
ZDFheute: Herzlichen Dank, Frau Ministerin.
Das Interview führte Jan Meier, Studio Potsdam
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"Wie es uns menschlich geht, ist allen egal"Der Abiturjahrgang 2021 ist wie kein anderer von den Corona-Maßnahmen betroffen. Fünf Protokolle von geplatzten Träumen, verbotenen Partys und überforderten Lehrer*innen.