Die Corona-Krise wirft ein Schlaglicht auf das Thema Gewalt gegen Frauen. Und sorgt dafür, dass nun im Schnelltempo politische Maßnahmen angekündigt werden.
Sie setzen sich ein gegen weibliche Genitalverstümmelung, Abtreibungsverbot, Gewalt gegen Frauen, prekäre Arbeitsverhältnisse und mehr: Europa, Deine Frauen. Eine Porträt-Serie.
Das eigene Zuhause als Gefahr: Seit dem ersten coronabedingten Shutdown 2020 wird in Deutschland vor einem Anstieg von Partnerschaftsgewalt gewarnt. Tatsächlich treffen momentan mehrere Risikofaktoren aufeinander, darunter Ausgangsbeschränkungen, Quarantäne und Existenzängste.
Eine aktuelle repräsentative Studie zeigt, dass rund drei Prozent der befragten Frauen in der Zeit strenger Kontaktbeschränkungen zu Hause körperliche Gewalt durch ihren Partner erfahren haben:
- 3,8 Prozent fühlten sich von ihm bedroht,
- 3,6 Prozent wurden von ihm vergewaltigt.
Frauenhäuser melden Anstieg der Hilfegesuche
Weil diese Zahlen nicht ohne Weiteres mit Studien aus der Zeit vor der Pandemie vergleichbar sind, lassen sie keinen eindeutigen Rückschluss darauf zu, ob Partnerschaftsgewalt zugenommen hat. Hilfsorganisationen wie der Weiße Ring, Frauenhäuser und das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen berichten allerdings von einem Anstieg der Hilfegesuche in den letzten Monaten.
Was in der jetzigen Krisensituation oft in den Hintergrund gerät: Gewalt gegen Frauen ist in Deutschland Alltag, auch in Nicht-Corona-Zeiten. So versucht jeden Tag ein Mann seine Partnerin oder Ex-Partnerin umzubringen, jeden dritten Tag gelingt ein solches Verbrechen.
Laut der Kriminalstatistischen Auswertung zur Partnerschaftsgewalt des Bundeskriminalamtes wurden 2019 insgesamt 141.792 Menschen Opfer von Partnerschaftsgewalt: 81 Prozent davon waren weiblich.
Partnerschaftsgewalt: hohe Dunkelziffer
Weil die Statistik nur Fälle erfasst, die zur Anzeige gebracht wurden, liegt die Dunkelziffer sehr viel höher: Der Weiße Ring geht davon aus, dass nur jede fünfte Tat angezeigt wird. Doch diskutiert wird darüber in der breiten Öffentlichkeit meistens nur dann, wenn ein besonders tragischer Fall von Partnerschaftsgewalt in die Medien gelangt, Jahresberichte wie die Kriminalstatistik veröffentlicht werden oder Ereignisse wie der Weltfrauentag oder der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen anstehen.
Hilfsorganisationen und Frauenverbände kritisieren seit Jahren die schleppende Umsetzung der sogenannten Istanbul-Konvention. Dieses Übereinkommen des Europarats soll Gewalt gegen Frauen verhindern, indem die Unterzeichnerstaaten sich dazu verpflichten, die Gleichstellung der Geschlechter sowohl in ihren Verfassungen als auch Rechtssystemen festzuschreiben, Hilfsangebote für betroffene Frauen zu verbessern und offensiv gegen die verschiedenen Formen der Gewalt vorzugehen.
- Stalking: Großes Dunkelfeld - App soll helfen
Stalker terrorisieren ihre Mitmenschen, indem sie ihnen auflauern oder nachstellen. Die No-Stalk-App des Weißen Rings soll auch der Polizei eine bessere Handhabe geben.
Nun wirft die Pandemie ein Schlaglicht auf das Thema. Doch wie nachhaltig ist dieser Effekt? Zumindest scheint es momentan eine neue Dringlichkeit zu geben, in der Öffentlichkeit wie in der Politik.
Ähnlich wie die Kölner Silvesternacht, die eine vorher lange diskutierte und aufgeschobene Verschärfung des Sexualstrafrechts bewirkte, scheint Corona nun ebenfalls im Schnelltempo dafür zu sorgen, dass ein bestimmtes Thema - Gewalt gegen Frauen - ganz oben auf der politischen Agenda angesiedelt wird und Maßnahmen angekündigt werden.
"Stärker als Gewalt" - Bund investiert Millionen
So planen Bundesfamilien- und Bundesinnenministerium eine sogenannte Dunkelfeldstudie zu Gewalt in Partnerschaften, die durch eine repräsentative Befragung ermitteln soll, wie viele Menschen insgesamt betroffen sind.
Nur etwa jedes fünfte Opfer von häuslicher Gewalt sucht Hilfe - 140.000 Fälle kamen 2018 trotzdem zur Anzeige. Eine Inititative will Partnergewalt jetzt durch Prävention bekämpfen.
Die Digitalstaatsministerin Dorothee Bär (CSU) plädiert derweil dafür, Frauenfeindlichkeit zukünftig als eigene Rubrik in der Kriminalstatistik zu führen. Im Bundestag wurde Anfang März auf Antrag der Fraktion Die Linke über Femizide in Deutschland diskutiert, also über die Tötung von Mädchen und Frauen aufgrund ihres Geschlechts.
Und Kanzlerin Angela Merkel rief dazu auf, bei Gewalt gegen Frauen nicht wegzuschauen. Sie verwies unter anderem auf die Initiative "Stärker als Gewalt" des Bundesfamilienministeriums sowie auf ein Förderprogramm, bei dem der Bund über vier Jahre 120 Millionen Euro in den Ausbau von Beratungsstellen und Frauenhäusern investiert.
Schutz von Frauen: Wie nachhaltig ist der politische Wille?
Ob das Thema Gewalt gegen Frauen sich langfristig auf der politischen Agenda halten kann, bleibt abzuwarten. Die Corona-Krise verdeutlicht, wie verbreitet Gewalt gegen Frauen ist – und dass verschiedene Maßnahmen nötig sind, um sie zu verhindern und betroffenen Frauen zu helfen. Während der aktuellen Krise und darüber hinaus.