Die Entscheidung des RKI, den Genesenenstatus auf drei Monate zu verkürzen, hat für viel Wirbel gesorgt. So viel, dass Lauterbach die Befugnis der Behörde wieder kassieren will.
Es wirkt wie eine Geschichte aus dem Tollhaus. Am 13. Januar 2022 debattierte der Bundestag über den Impf- und Genesenenstatus. Die parlamentarische Staatssekretärin der SPD im Bundesgesundheitsministerium, Sabine Dittmar, informierte dazu und teilte den Abgeordneten mit: "Der Genesenenstatus wird künftig nach drei Monaten beziehungsweise 90 Tagen entfallen." Applaus von den Ampel-Parteien, die der Veränderung zustimmten.
Geimpfte und Genesene: RKI und PEI sollen entscheiden
Es ging um die Covid-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung. Danach sollte künftig das Robert-Koch-Institut zusammen mit dem Paul-Ehrlich-Institut entscheiden, wie lange jemand als geimpft oder genesen gilt. Je nach wissenschaftlicher Erkenntnislage sollte eigenständig der Status von Genesenen und Geimpften verkürzt oder verlängert werden. Ohne öffentliche Debatte. Ohne Vorankündigung. Einfach nachzulesen auf der Webseite des RKI. Quasi für jedermann.
Nach dem Bundestag war das Ganze am 15. Januar ein Thema im Bundesrat. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warb für die Veränderung und sagte: "Wir informieren Sie, so dass Sie sich nicht regelmäßig diese Verweisseiten anschauen und prüfen müssen, ob sich da etwas verändert hat."
Genesenenstatus wird am 16. Januar verkürzt
Doch es kam anders. Kalt erwischt hat es nicht nur die Länderchefs, sondern auch den Bundesgesundheitsminister. Einen Tag, nachdem auch der Bundesrat zustimmte, wurde der Status der Genesenen um drei Monate verkürzt. Keine Vorwarnung, weder für die Volksvertreter noch für den Minister, von den Betroffenen ganz zu schweigen.
Entsprechend groß der Ärger. Ein Aufschrei der Empörung. Hintergangen fühlte sich der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU). Lauterbach habe sich nicht an die Abmachung gehalten. Der Gescholtene zog zu Kreuze. Öffentlich entschuldigte er sich für den Gau. Er selbst habe nicht gewusst, dass die Veränderung bereits am nächsten Tag eintreten werde. Ein Kommunikationsfehler. Die Entscheidung sei dennoch richtig. Das RKI hätte nach wissenschaftlichen Erkenntnissen gehandelt.
Genesenenstatus: Sechs Monate in der EU
Allen Beteuerungen zum Trotz, es bleibt ein Geschmäckle. Denn in anderen EU-Staaten besteht eine Gültigkeit von 180 Tagen, also sechs Monaten. In der Schweiz wurde der Status sogar auf zwölf Monate verlängert. Viele Experten hierzulande zweifeln die Studien an, auf die sich das RKI beruft.
Und jetzt? Nur vier Wochen später heißt es in der vorläufigen Beschlussvorlage der Bund-Länder-Konferenz unter Punkt acht: Bei der vom Bundesminister der Gesundheit angestoßenen Überarbeitung der Covid-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung entfällt in Hinblick auf die Festlegungen zum Geimpften- und Genesenenstatus die Delegierung auf das Paul-Ehrlich-Institut und Robert-Koch-Institut.
Lauterbach will Delegierung an RKI und PEI aufheben
Im Klartext: Die Idee von Karl Lauterbach, eine Grundrechtseinschränkung an eine untergeordnete Behörde zu delegieren, wird einkassiert.
Bereits im Vorfeld gab es Vorbehalte aus dem FDP-geführten Justizministerium. Man habe Bedenken, Grundrechtseingriffe einer nachgeordneten Behörde zu überlassen. Doch der Bundesgesundheitsminister ließ sich nicht beirren.
Auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestages kritisiert die Entscheidung von Bundestag und Bundesrat. Die Frage, ob eine so wichtige Entscheidung, die die Grundrechte der Bürger betreffe, einer Behörde zuzuordnen ist, sei zweifelhaft.