Für die Briten war das zweite Corona-Jahr ein Auf und Ab. "Freedom Day" und ein Sommer ohne Corona-Maßnahmen. Doch jetzt trifft sie die Omikron-Welle mit voller Wucht.
Der Twitter-Account von Michael A. Osborne kennt seit Monaten nur noch ein Thema. Der Professor für künstliche Intelligenz an der Universität Oxford war im März 2020 an Covid-19 erkrankt - mit 38 Jahren, er war kerngesund. Osborne überstand die Krankheit, zuhause in Quarantäne, doch die Langzeitfolgen blieben.
Patienten mit Long Covid wollen Lehren ziehen
Und so schreibt Osborne via Twitter seinen Frust heraus, erinnert seine fast 19.000 Follower gebetsmühlenartig an seinen langen Leidensweg und die schlimmen Folgen, die auch ein milder Krankheitsverlauf haben kann.
Osborne prophezeit, dass er seine Erfahrungen auch in Zukunft noch mit sehr vielen weiteren Menschen teilen wird.
Vom Freedom Day zum Positiv-Test vor Weihnachten
Osborne wird wohl recht behalten. In den vergangenen Monaten hatten viele Briten die Freiheit, die ihnen der Freedom Day im Sommer gebracht hatte, genossen: Sie hatten in Restaurants gegessen, in vollen Stadien gejubelt, ohne Maske in Geschäften geshoppt und die U-Bahn genommen. Nun sitzen immer mehr von ihnen erschrocken vor den positiven Schnelltests und wissen, dass Omikron ihnen ein Weihnachtsfest in Quarantäne beschert hat.
Mehr als 100.000 Corona-Neuinfektionen innerhalb eines Tages meldeten die britischen Behörden am Mittwoch, zwei Tage vor Heiligabend. Im Omikron-Epizentrum London hat die neue Variante Delta mittlerweile längst verdrängt. Die Zahl der neuen Ansteckungen verdoppelt sich hier alle zwei bis drei Tage. Und es dürfte klar sein, dass die wieder eingeführten Maßnahmen - 3G-Regeln bei Großveranstaltungen und Nachtclubs und Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln - den Vormarsch der neuen Variante kaum aufhalten werden.
Höchste Zeit also, um nachzuschärfen. Aber wie und wann? Kontaktbeschränkungen stehen zur Diskussion, Obergrenzen für private Treffen, Ausgangssperren, sogar ein vollständiger Lockdown. Andernfalls könne es allein in England zu 3.000 Krankenhauseinweisungen pro Tag kommen, zu einer Überlastung des Gesundheitssystems, prognostizieren die wissenschaftlichen Berater der Regierung.
Premier Johnson lässt den Briten die Festtagslaune. Zudem wird die Corona-Quarantäne von zehn auf sieben Tage reduziert, damit nicht zu viel Gesundheitspersonal ausfällt.
Boris Johnson: Keine Verschärfung vor Weihnachten
Premierminister Boris Johnson mag den Kämpfern für strengere Corona-Regeln hinter verschlossenen Türen möglicherweise zustimmen, schärfere Restriktionen aber soll es vor Weihnachten trotzdem nicht geben. In einem Video verkündete er am Dienstagabend:
In der Zwischenzeit aber solle jeder Brite vorsichtig sein, sich mit so wenig Menschen wie möglich treffen und sich bitte boostern lassen.
- Der Anfang vom Ende für Boris Johnson?
Der britische Premier Boris Johnson gerät mächtig unter Druck. Ein Bericht über Weihnachtspartys im vergangenen Jahr steht an, dazu die Omikron-Variante - sein Rückhalt bröckelt.
Foto von Johnson: Geselliges Treffen mit Käse und Wein
Johnson appelliert an die Eigenverantwortung seiner Landsleute. Wie soll Großbritanniens oberster Politiker den Briten auch weitere Einschränkungen verkaufen, wenn er selbst in der Öffentlichkeit als Regelbrecher dasteht? Nach etlichen Berichten über Lockdown-Partys in der Downing Street erhitzt nun ein Foto die Gemüter. Zu sehen ist der Premier in geselliger Runde mit rund 20 Gästen im Garten seiner Amtswohnung. Es gibt Käse und Wein.
Im Mai 2020 war das, als sich in England nur maximal zwei Personen draußen und mit Abstand treffen durften. Nur ein Arbeitstreffen, rechtfertigt sich Johnson - mit der Erwartung, dass die Briten ihm das tatsächlich abnehmen. Sein Rückhalt, auch in der eigenen Tory-Partei, schwindet immer mehr.
Long-Covid-Patient Osborne: Endlich keine Symptome mehr
Während Johnson in den letzten Tagen des zweiten Corona-Jahres also einmal mehr mit seinen eigenen Fehltritten beschäftigt ist, wird Omikron wohl immer weiter die Macht auf der Insel übernehmen - in den weiterhin geöffneten Pubs und Restaurants, in Partykellern und unterm Weihnachtsbaum im Familien- und Verwandtenkreis.
Und es wird weiter viel Stoff geben, der Michael A. Osborne von der Universität Oxford Anlass zum Twittern gibt. Nach 18 Monaten, in denen der junge Professor gegen Long Covid gekämpft hatte, spürt er nun endlich keine Symptome mehr.
Doch seine Mission, die Internetgemeinde vor den Langzeitfolgen zu warnen, wird wohl weiter gehen.
- Erster Omikron-Toter in Großbritannien
Die Corona-Infektionen steigen sprunghaft an - Großbritannien erhöht die Warnstufe. Premier Johnson warnt vor einer "Omikron-Flutwelle" und bestätigt einen ersten Omikron-Toten.