Die Rufe nach einem harten Lockdown werden lauter, auch von Arbeitgebern und Wirtschaftsforschern. Wer ist für härtere Maßnahmen, wer dagegen? ZDFheute mit einem Überblick.
Die Kanzlerin ist dafür, Gesundheitsminister Jens Spahn auch, der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sowieso - doch bislang wurde der viel diskutierte harte Lockdown, bei dem das ganze Land für einige Zeit heruntergefahren wird, nicht beschlossen. ZDFheute gibt einen Überblick über die Debatte mit unterschiedlichen Positionen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft.
Ministerpräsidenten setzen beschlossene Notbremse nicht um
Eine Zustimmung zu einem harten Lockdown ist von einigen Ministerpräsidenten nicht zu erwarten: Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller führte zuletzt - trotz der beschlossenen Notbremse und einer Inzidenz von fast 150 - keine weiteren Kontakbeschränkungen ein, Läden dürfen in Berlin nach wie vor öffnen.
Unter Ministerpräsident Tobias Hans wurde im Saarland erst ein umstrittenes Öffnungsmodell beschlossen. Hans sprach sich im ZDF-Interview indirekt gegen einen harten Lockdown aus: Nach einem Jahr der Pandemiebekämpfung müsse "mit der Einschränkung von Grundrechten etwas sensibler umgegangen" werden.
In Nordrhein-Westfalen gelten in vielen Kommunen Ausnahmen von der vereinbarten Notbremse - beispielsweise, wenn Menschen beim Shoppen einen negativen Schnelltest vorweisen. Ministerpräsident Armin Laschet verteidigte diesen Kurs gegen Kritik von Kanzlerin Merkel.
Wissenschaftler fordern harten Lockdown
"Wir müssen jetzt einmal hart runterfahren, für die nächsten ein bis zwei Wochen über Ostern", sagte der wissenschaftliche Leiter des Divi-Intensivregisters Christian Karagiannidis im ZDF-Interview.
Der Präsident des Münchner ifo-Instituts Clemens Fuest fand in einem Interview mit dem mdr deutliche Worte: Man könne sich "in dieser Situtation nicht hinstellen und sagen 'och ja - vielleicht warten wir noch mal zehn Tage und schauen mal, was dann geht'".
Das zögerliche Agieren der Kanzlerin nennt er "inakzeptabel", "schwer nachvollziehbar", es habe ihn "entsetzt". Dass die Osterferien nicht für einen harten Lockdown genutzt werden, bezeichnete er bei Twitter als einen "Anschlag auf die Kinder und Familien".
Unterschiedliche Stimmen aus der Wirtschaft
Auch der Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Stefan Wolf, zeigte sich offen für einen harten Lockdown. "Es wäre mir lieber, wenn wir noch mal zehn Tage bundesweit in einen harten Lockdown gehen und danach überall öffnen können, anstatt über Monate keine klaren Strukturen zu haben", sagte Wolf in einem Interview mit der "Bild am Sonntag".
Der Handelsverband Nordrhein-Westfalen spricht sich gegen einen Total-Lockdown aus. Verbands-Chef Peter Achten sagte im ZDF-Morgenmagazin: "Wir pfeifen alle aus dem letzten Loch."
AfD für Ende des Lockdowns, FDP will Öffnungsstrategie
"Wir als AfD-Fraktion fordern die sofortige Beendigung dieses unsinnigen Lockdowns", sagte der Abgeordnete der AfD-Fraktion im Bundestag Sebastian Münzenmaier am Donnerstag vergangener Woche im Bundestag - und wiederholte damit die Position, die die AfD schon seit Monaten vertritt. Lockdowns würden "wenig bis nichts bewirken - intelligente Hygienekonzepte bewirken etwas", ergänzte sein Fraktionskollege Alexander Gauland.
Auch der Chef der FDP Christian Lindner hat sich wiederholt gegen Lockdowns ausgesprochen. "Durch Hygienekonzepte und Schnelltests wäre mehr gesellschaftliches Leben möglich, ohne dass es unverantwortbare Gesundheitsrisiken gibt", schreibt er bei Twitter. Sein Fraktionskollege Wieland Schinnenburg fordert in dieser Hinsich eine "smarte Öffnungsstrategie".
Linken-Chefin: Notfalls muss "Produktion ein paar Tage stillgelegt werden"
Im Gegensatz dazu fordert die Chefin der Linken Janine Wissler deutlich strengere Maßnahmen. "Corona-Infektionen enden nicht am Betriebstor", sagte sie im Deutschlandfunk:
Die Bundestagfraktion der Grünen twitterte, man stehe nun "vor der Entscheidung, wie hart und wie lange der Lockdown sein muss, um diese Welle zu stoppen." Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank sprach sich im NDR für einen kurzen aber harten Lockdown aus: "Wir brauchen einmal das Herunterfahren des gesamten Lebens".
Mehrheit der Deutschen für schärfere Maßnahmen
36 Prozent der Deutschen sprechen sich für strengere Maßnahmen aus, das zeigen die aktuellen Zahlen des ZDF-Politbarometers. Die vergangene Woche beschlossene Verlängerung der Corona-Maßnahmen bis 18. April stößt entsprechend auf mehrheitliche Zustimmung (68 Prozent), knapp ein Drittel (30 Prozent) ist dagegen.
- Forderungen nach Lockdown und neuem Gipfel
Nur wenige Tage nach den Bund-Länder-Beratungen scheint sich die Stimmung zu drehen. Die Rufe nach einem scharfen Lockdown werden lauter - und nach einem früheren Corona-Gipfel.