Die vierte Covid-Welle überrollt das Land. Bei "maybrit illner" streiten Grünen-Chef Habeck und der CDU-Politiker Röttgen über die Schuldfrage. Eine Impfpflicht ist kein Tabu mehr.
"Die Ampel und Corona – im Krisenmodus schon beim Start?" - die ganze Debatte bei "maybrit illner".
Wenn die Bereitschaft nicht genüge, müsse man über eine Impfpflicht reden, sagte Grünen-Chef Robert Habeck in der ZDF-Sendung "maybrit illner". Eine sorgfältige verfassungsrechtliche Prüfung durch die neue Ampel-Koalition kündigte FDP-Generalsekretär Volker Wissing an. Klar sei aber, dass dieses Instrument eher im Winter 2022/23 eine Wirkung entfalten werde.
Aktuell sollten die Bundesländer die Maßnahmen ausschöpfen, die das Infektionsschutzgesetz ihnen ermögliche. "Ich halte Kontaktbeschränkungen für dringend erforderlich", betonte Wissing im Gleichklang mit Habeck und Norbert Röttgen, der sich aktuell um den CDU-Vorsitz bewirbt.
Regierungsbildung in der vierten Welle
Recht früh in der Sendung hatte Röttgen für einen symbolischen Brückenschlag geworben. Noch-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Nachfolger in spe, Olaf Scholz (SPD), sollten eine gemeinsame Corona-Ansprache an die Bevölkerung richten, als Zeichen der Überparteilichkeit. Es werde, je stärker die vierte Welle ansteige, genügend Gräben zu überbrücken geben.
Dass eine allgemeine Verpflichtung beim harten Kern der Impfgegner auf erbitterten Widerstand stoßen wird, blieb eine unausgesprochene Gewissheit. Durchsetzung und Kontrolle, so viel sagte Wissing voraus, würden "nicht trivial". Als erster Schritt scheint eine einrichtungsbezogene Pflicht zur Immunisierung beispielsweise in Pflegeheimen näher zu rücken.
Robert Habeck bei "maybrit illner"
Habeck kritisiert Infektionsschutzgesetz
Um die überparteiliche Einigkeit war es in der Diskussion schnell geschehen. Habeck nannte die Maßnahmen, mit denen zu Zeiten der Großen Koalition auf die Pandemie reagiert wurde, "rabiat". Das Infektionsschutzgesetz sei differenzierter, müsse aber, so bekräftigte auch sein mutmaßlich baldiger Kabinettskollege Wissing, seitens der Länder viel konsequenter angewandt werden.
Dass die Ampel sich selbst zehn Tage Zeit einräumte, um über neue Corona-Maßnahmen zu beraten, stieß bei den Journalistinnen Henrike Roßbach ("Süddeutsche Zeitung") und Christiane Hoffmann ("Spiegel") auf Kritik. "Nicht zu verantworten", sei dieses Vorgehen, so Röttgen. Habeck ("Es geht jetzt um Tage") und Wissing ("Ich halte nichts von Abwarten") schienen selbst auch nicht vollends überzeugt.
Wissing: "Gravierende Fehleinschätzungen"
Es begann das Schwarzer-Peter-Spiel. CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geriet zuerst ins Visier. Röttgen meinte, die alte und die neue Regierung hätten Fehler gemacht. Habeck verwies darauf, dass die Ampel-Koalitionäre noch keinen Zugriff auf den "Apparat" der Regierung und damit keine hinreichend tiefe Faktenkenntnis hätten.
Wissing warf der abgewählten Bundesregierung "gravierende Fehleinschätzungen" vor, auf die sich die FDP bei ihren Forderungen nach mehr Freiheiten verlassen habe.
Norbert Röttgen bei "maybrit illner"
Habeck: "Schandfleck der deutschen Politik"
Habeck argumentierte, für den politischen Meinungskampf womöglich eine Spur zu alltagsphilosophisch, als er über die dem Menschen innewohnende Trägheit im Umgang mit schwerwiegenden Entscheidungen sprach. Träge zu sein und die Lage "wegzuanalysieren", sei nun gerade nicht die Definition von Politik, kommentierte die Journalistin Christiane Hoffmann.
Röttgen stieg ein und musste sich von Habeck bald als "Oppositionsclown" titulieren lassen. Kollektive Selbstkritik hatte der Grünen-Co-Vorsitzende auch im Gepäck. Auf diese Weise in die vierte Welle gelaufen zu sein, sei ein "Schandfleck der deutschen Politik".
Grünen-Chef: Vorschlaghammer, wenn mildere Mittel nicht helfen
Was tun? Einer offenen Gesellschaft sei die Politik "dazu verpflichtet, immer das mildere Mittel zu nehmen", meinte Habeck. Wenn das nicht klappe, "müssen wir mit dem großen Vorschlaghammer draufhauen und wieder alles dicht machen". Das dürfte im Ampel-Kabinett spannend werden, denn Wissing warb zwar dafür, Großveranstaltungen abzusagen, schloss Ausgangssperren aber kategorisch aus.
Dass sich Olaf Scholz bisher nicht klar zu einer Impfpflicht positioniert habe, lässt für Hoffmann auf einen Führungsstil schließen, der nicht funktionieren werde. Es gebe, kritisierte Journalistin Henrike Roßbach, von alter und neuer Regierung kein Konzept, aus der Pandemie herauszukommen.