Corona-Impfstoffe sind ein wertvolles, aber instabiles Gut. Impfteams, Zentren und Behörden versuchen, Verschwendung zu vermeiden. Was übrig bleibt, impfen sie sich gegenseitig.
"Wir haben Stand heute 840.000 Geimpfte in Deutschland", teilt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am Donnerstagmittag mit.
Diese Erfolgsmeldung im Kampf gegen die Corona-Pandemie kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Impfstoff immer noch knapp ist, alle Beteiligten also ein großes Interesse daran haben, das kostbare Vakzin nicht verkommen zu lassen. Kein leichtes Unterfangen, da die bisher verfügbaren Impfstoffe von Moderna und Biontech/Pfizer stark gekühlt werden müssen und nach der Öffnung einer Ampulle nur wenige Stunden gespritzt werden dürfen.
Spahn: "Im Zweifel ist alles besser als etwas wegwerfen"
Trotz intensiver Vorbereitung kann nicht immer exakt die Menge Impfstoff zu einem Impfeinsatz mitgenommen werden, die dann auch tatsächlich geimpft werden kann. Verschiedene Faktoren können zu Überschüssen führen:
- Personen, die der Impfung im Vorfeld zugestimmt haben, wollen nun doch nicht mehr geimpft werden
- Die zu impfende Person ist erkrankt und kann deshalb zum Termin nicht geimpft werden.
Zu Berichten über überschüssigen, bereits aus der Kühlung genommenen Impfstoff an einzelnen Standorten sagte Gesundheitsminister Spahn, es solle an der festgelegten Priorisierung bestimmter Gruppen unbedingt festgehalten werden. Dennoch müsse im konkreten Fall auch pragmatisch entschieden werden - beispielsweise könnten dann Mitglieder des Impfteams das Vakzin erhalten: "Im Zweifel ist alles besser als etwas wegwerfen".
Wie sieht das in der Praxis aus?
Dirk Neubauer* arbeitet in einem mobilen Impfteam in Rheinland-Pfalz. Er fährt Pflegeheime an und dokumentiert die Impfungen.
So kam es auch, dass er als einer der ersten Menschen in ganz Deutschland geimpft wurde: Direkt am ersten Tag der Impfkampagne blieben sieben Impfdosen übrig. Sonst hätte er länger auf seine Impfung nach der Reihenfolge der Priorisierung warten müssen.
Ein wichtiger Faktor bei der Berechnung der Impfstoffmenge sei auch, mit welcher Nadel die Impfung verabreicht würde, gibt Neubauer zu bedenken: Mit einer feinen Nadel könnten einer Ampulle sechs Impfdosen entnommen werden, mit einer breiten nur fünf. Die feinen Nadeln seien jedoch auch deutlich teurer.
Bisher musste bei seinen Einsätzen noch kein Impfstoff ungenutzt weggeschmissen werden.
Solidarische Pflegeheime
Christian Grimm betreibt gemeinsam mit seinem Bruder eine Seniorenwohnanlage in Idar-Oberstein. Die Einrichtung war eine der ersten im Landkreis, in die ein mobiles Impfteam gekommen ist. 85 Bewohner und 50 Mitarbeiter wurden innerhalb von dreieinhalb Stunden geimpft. Schon im Vorfeld wurde Kontakt zu einer nahegelegenen Klinik aufgenommen, die noch keinen Termin zur Impfung bekommen hatte:
So konnten zwischen 15 und 20 Menschen zusätzlich geimpft werden.
Auch das Gesundheitsministerium von Rheinland-Pfalz bestätigt und begrüßt das Vorgehen der Impfteams und Pflegeheime. Bisher sei keine nennenswerte Menge an Impfstoff verschwendet worden. Auch die zweite Impfdose für diese vorgezogene Impfungen würde bereitgehalten.
Impfbereitschaft fördern durch Aufklärung
Als zentralen Faktor für den Erfolg der Impfkampagne sieht Grimm aber die Bereitschaft der Menschen, sich impfen zu lassen. Beim ersten Impftermin lag die bei seinem Personal nur bei 65 Prozent. "Durch soziale Medien herrscht viel Unsicherheit“, so der Pflegeheimbetreiber. Er und sein Team begleitet daher auch die Impfungen öffentlich, Geimpfte erzählen regelmäßig, wie es ihnen geht.
Mit dieser Aufklärung könne bis zum zweiten Impftermin die Bereitschaft der Mitarbeiter auf 94 Prozent gesteigert werden.
*Person möchte anonym bleiben. Der Name wurde daher von der Redaktion geändert.
Die Diskussion um die Impfpflicht für Pflegekräfte wird von der Politik befeuert. Doch die, die es tatsächlich betrifft, kommen wenig zu Wort.