Justizminister Buschmann hat Bayerns Alleingang bei der Teil-Impfpflicht kritisiert und von "Tyrannei" gesprochen. Der bayerische Gesundheitsminister konterte bei "illner" scharf.
"maybrit illner" mit dem Thema "Lockern in der Pandemie – verrückt oder überfällig?"
In der ZDF-Sendung "maybrit illner" hat Justizminister Marco Buschmann (FDP) seine Kritik an der Ankündigung von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bekräftigt, die einrichtungsbezogene Impfpflicht vorerst nicht umzusetzen:
Er sei sich aber sicher, dass die Juristen in der bayerischen Staatskanzlei ihren Landeschef inzwischen aufgeklärt hätten. "Ich bin überzeugt, dass hier Bundesrecht vollzogen werden wird", so Buschmann. Andernfalls gebe es auch die Möglichkeit, Bundesrecht umzusetzen.
Justizminister Marco Buschmann (FDP) bei "maybrit illner".
Weil: Söder als Querdenker-Held
Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) äußerte die Befürchtung, Söder könne mit seiner Forderung zum populärsten Politiker bei den Querdenker-Demonstrationen werden.
"Herr Buschmann vergreift sich vollkommen in der Wortwahl", erklärte der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). Das Gesetz, das ab Mitte März gelten soll, habe den Praxistest nicht bestanden.
Ab Mitte März soll die Impflicht in Einrichtungen des Gesundheitswesens und der Pflege gelten. In Bayern soll sie nicht umgesetzt werden - hat Ministerpräsident Söder angekündigt. Neben der Sorge, dass Fachkräfte abwandern, hat er auch generelle Zweifel.
Holetschek: Gute Umsetzung braucht Zeit
Bayern habe sich nur getraut, den Finger in die Wunde zu legen. Eine unzureichende Umsetzung des Gesetzes würde den Querdenkern viel eher in die Karten spielen. Holetschek betonte:
Dafür brauche es genügend Zeit.
Bei der Caritas Altenhilfe fällt krankheitsbedingt gerade viel Personal aus. Auch die einrichtungsbezogene Impfpflicht bereitet Sorge: Zwar sind 90 Prozent der Mitarbeiter geimpft, doch es drohen weitere Engpässe.
Humanmediziner: Zeitpunkt für Impfpflicht verpasst
Die Zeit, eine generelle Impfpflicht einzuführen, wurde in den Augen des Humanmediziners Johannes Wimmer längst verpasst. Es hätte sie schon in dem Moment geben müssen, wo der Impfstoff in hinreichender Menge vorhanden war:
Inzwischen sei seitens der Politik viel Vertrauen verspielt worden, das für den Erfolg der Impfkampagne entscheidend sei. Mit der Omikron-Variante gebe es nun gute Argumente gegen die Impfpflicht.
Buschmann: "Eine Menge" Lockerungen möglich
In Buschmanns Augen entfallen mit der Ausbreitung der meist milder verlaufenden Omikron-Variante die Begründungen für eine Vielzahl staatlicher Maßnahmen.
Der Justizminister fordert, bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz darüber zu sprechen, was an Lockerungen möglich ist. "Und da ist eine Menge möglich."
Wenn die Gefährdung sich verringere, gelte es auch, die Maßnahmen zurückzufahren. Darin sieht Buschmann ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit, zumal das Gesundheitssystem derzeit nicht Gefahr laufe, überlastet zu sein.
Virologin: Unklarheit über weitere Varianten
Die Chemikerin und Virologin Helga Rübsamen-Schaeff ist anderer Ansicht und verweist auf die immer noch 100 bis 200 Toten pro Tag. "Wir haben keine Ahnung, wie die weiteren Varianten aussehen werden", sagte die Professorin. Alles ist derzeit sehr, sehr leichtsinnig gedacht.
Virologin Helga Rübsamen-Schaeff bei "maybrit illner".
Weil: Ausweg aus der Pandemie nehmen
Ministerpräsident Weil sprach sich für vorsichtige Öffnungen aus. Lockerungen seien möglich, doch man dürfe die Pandemie nicht abhaken. "Wir müssen jetzt den Ausweg aus der Pandemie nehmen", forderte Weil.
Doch kurzfristig aus allen Beschränkungen auszusteigen, das sieht auch Bayerns Gesundheitsminister Holetschek nicht:
Doch was soll der Gradmesser sein? "Das Virus auszulöschen, schaffen wir nicht", betonte der Humanmediziner Wimmer. "Die Null erreichen wir niemals." Seine These: "Ich kann ja nur das Pferd zum Wasser führen. Ich darf mich auch für Ungesundheit entscheiden." Die klügste Entscheidung wäre in seinen Augen die Impfung.
Dänemark als Blaupause?
Wie Dänemark trotz deutlich höherer Inzidenz die Aufhebungen der Corona-Maßnahmen bewerkstelligt hat, erläuterte die Politikwissenschaftlerin Lykke Friis: durch eine hohe Impfrate, durch einfachere politische Entscheidungsprozesse – und durch die Digitalisierung. Denn in Dänemark wisse der Staat genau, wann sich welche Bürger impfen lassen.