Sie ist umstritten - doch angesichts steigender Infektionszahlen findet eine Impfpflicht immer mehr Anhänger. Wie könnte sie umgesetzt werden, wo gibt es sie schon? Ein Überblick.
Immer mehr Politiker sprechen sich dafür aus: Die allgemeine Impfpflicht. Die Frage nach der Umsetzung dürfte auch morgen beim Bund-Länder-Gipfel diskutiert werden.
Lange Zeit galt sie als Tabu in der Corona-Pandemie, doch angesichts der dramatisch steigenden Infektionszahlen findet inzwischen eine allgemeine Impfpflicht immer mehr Anhänger.
Am Dienstag kündigte der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dazu noch für Dezember ein Gesetzgebungsverfahren an. Doch eine allgemeine Impfpflicht wirft praktische und juristische Fragen auf. Ein Überblick:
Welche Formen der Impfpflicht sind denkbar?
Weitgehender Konsens zwischen Bund und Ländern besteht bereits darin, dass es eine einrichtungsbezogene Impfpflicht geben soll - etwa für alle Menschen, die in einem Alters- oder Pflegeheim arbeiten. Ein entsprechendes Gesetz, das die Ampel-Parteien derzeit vorbereiten, soll noch im Dezember beschlossen werden.
Eine Impfpflicht gibt es de facto schon bei der Bundeswehr. Die Corona-Schutzimpfung wurde für die Soldatinnen und Soldaten in den Katalog der "duldungspflichtigen Impfungen" aufgenommen.
Eine auf eine bestimmte Gruppe bezogene Impfpflicht gibt es in Deutschland auch bereits für die Masern-Impfung - und zwar für alle Kinder ab dem ersten Lebensjahr beim Eintritt in die Schule oder den Kindergarten. Deutlich weitergehender wäre allerdings die jetzt diskutierte Corona-Impfpflicht für mit wenigen Ausnahmen die gesamte Bevölkerung.
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Gegen die Pocken-Epidemie Mitte des 19. Jahrhunderts gab es sie bereits: eine allgemeine Impfpflicht. Und in der DDR war das Impfen Teil der Staatsraison. Gegen TBC, Diphterie, Tetanus, Polio, Keuchhusten und Masern musste man sich impfen lassen.
Was sind die Argumente der Impfpflicht- Befürworter?
Für eine allgemeine Pflicht spricht die nach wie vor nur schleppend vorankommende Impfkampagne. Denn die Immunisierung gilt als einzige Möglichkeit, die Ausbreitung des Coronavirus wirksam einzudämmen und damit der Überlastung der Krankenhäuser entgegenzuwirken.
Eine Impfpflicht gilt zudem als eine Chance, aus dem Dauer-Kreislauf von immer neuen Corona-Wellen und Einschränkungen herauszukommen.
Zusätzliche Brisanz erhält das Thema durch die neue Omikron-Variante des Coronavirus, auch wenn die genaue Wirksamkeit der aktuellen Impfstoffe dagegen noch unklar ist.
Welche Gegenargumente gibt es?
Es wird darauf hingewiesen, dass eine Impfpflicht die öffentliche Auseinandersetzung um die Corona-Maßnahmen zuspitzen könnte. Gewaltforscher sehen hier ein großes gesellschaftliches Konfliktpotenzial und befürchten eine weitere Radikalisierung der Minderheit der Impfgegner.
Eine Impfpflicht ist ein Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Doch in Situationen wie diesen könnte sie verhältnismäßig sein, so ZDF-Rechtsexperte Samuel Kirsch.
Wenig von einer Impfpflicht hält auch der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Gegner einer allgemeinen Impfpflicht gibt es auch in der FDP, weswegen Scholz allen Abgeordneten ihr Votum dazu aus Gewissensgründen freistellen möchte. Die AfD lehnt eine Impfpflicht ohnehin ab.
Wie wird die Impfpflicht juristisch bewertet?
Es steht außer Frage, dass die Impfpflicht einen Eingriff in die grundgesetzlich geschützte körperliche Unversehrtheit des Menschen darstellt. Doch das Grundrecht darauf habe zurückzutreten, wenn es darum gehe, das Leben anderer zu schätzen, urteilen Juristen.
Allerdings gibt es auch Mahnungen von Juristinnen und Juristen, dass eine solche Maßnahme auf jeden Fall verhältnismäßig sein müsse.
Wie könnte die Impfpflicht umgesetzt werden?
Sie müsste gesetzlich festgeschrieben werden, Verweigerer könnten dann mit einem Bußgeld belegt werden. Ein wirklicher Impfzwang, etwa durchgesetzt von der Polizei, ist dagegen schwer vorstellbar und wohl auch nicht geplant. Allerdings könnte der Staat wohl anordnen, dass Impfverweigerer in Quarantäne kommen.
Scholz strebt an, eine Impfpflicht bis Ende Februar oder Anfang März umzusetzen. Ein Mittel gegen die aktuelle vierte Corona-Welle wäre sie also nicht.
Denkbar sei eine Frist, bis zu der sich alle, die können, impfen lassen müssen, so ZDF-Rechtsexperte Samuel Kirsch. Danach könnten Bußgelder verhängt werden.
Wo gibt es bereits eine Corona-Impfpflicht?
Eine Impfpflicht für die gesamte erwachsene Bevölkerung eines Landes ist bisher selten. Es gibt sie beispielsweise in einigen zentralasiatischen Ländern. Österreich will die Impfpflicht im Februar einführen.
Einige europäische Länder haben aber bereits eine Corona-Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen eingeführt, etwa das Personal in Altenheimen oder dem Gesundheitsbereich - so wie es nun auch zeitnah in Deutschland geplant ist.
- Wie eine Impfpflicht umgesetzt werden könnte
Die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht wird kontrovers diskutiert. Wichtig ist in der Diskussion, wie sie überhaupt ausgestaltet und durchgesetzt werden könnte.