Das Virus hat sich schneller verändert als der politische Diskurs, kommentiert Susanne Biedenkopf die gescheiterte Abstimmung zur Impfpflicht im Bundestag.
Es hat etwas vom letzten Akt eines Trauerspiels. Nach gewagten Kehrtwenden, verschlimmbesserten Gesetzesentwürfen, erregten Debatten – eine vergeigte Abstimmung. Aus und vorbei: Das war es erstmal mit der Impfpflicht.
Eine Blamage für das Hohe Haus? Zu einfach. Denn es ist kompliziert. Das Virus hat sich schneller verändert als der politische Diskurs.
Veränderte Pandemie-Bedingungen
Inzidenzen, die noch im letzten Sommer unvorstellbar waren. Leichte Symptome einer Omikron-Variante. Vor allem aber: viele Fragezeichen für die Zukunft der Pandemie und keine überzeugende Blaupause für die Impfpflicht. In wirren Zeiten verlaufen auch Entscheidungsprozesse nicht so geradlinig wie die Schienen einer Eisenbahn. Da müssen Wege gesucht, getestet, geändert werden. Und da geht auch mal etwas richtig schief.
- Impfpflicht: Was bleibt, ist Taktik
Die Impfpflicht ist gescheitert. Der Bundestag hat sich auf keine Regelung einigen können. Das ist eine Niederlage für die Ampel. Aber auch die Union hat nicht viel gewonnen.
Impfpflicht: Zum Glück wird im Parlament gestritten
Ich freue mich gerade in diesen Zeiten, dass in unserem Parlament gestritten wird – frei von Fraktionszwang. Dass Vorlagen abgeschmettert werden und nicht mit halber Überzeugung abzunicken sind. Dass unsere Demokratie in sich die Chance der Verbesserung birgt.
Verbessern aber kann sich nur, wer Niederlagen anerkennt und daraus lernen will. Am besten kommt die Einsicht vor der nächsten Abstimmung.
Und setzen wir, wenn Vater Staat es nicht so einfach richten kann, auf das Prinzip Eigenverantwortung. Denn ohne die hilft auch die schönste Freiheit nichts.
Susanne Biedenkopf ist Leiterin der ZDF-Redaktion für Wirtschaft, Recht, Service, Soziales und Umwelt