Die einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht wird seit zwei Monaten umgesetzt. Eine ZDFheute-Recherche zeigt: Die befürchteten Personalausfälle in der Pflege sind ausgeblieben.
Seit dem 16. März gilt die Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheits- und Pflegebereich. Betroffene Einrichtungen sind aufgefordert, ungeimpfte Mitarbeitende zu melden. Heute wird auch das Bundesverfassungsgericht dazu eine endgültige Entscheidung veröffentlichen. Die Unterversorgung der Pflege ist trotz skizzierter Notstände noch nicht eingetreten.
"Es ist zu Personalausfällen gekommen, aber nicht im befürchteten Ausmaß", sagt die Leiterin der Geschäftsstelle des deutschen Pflegerats Dr. Ute Haas. Sie sehe zum jetzigen Zeitpunkt noch keine konkreten Folgen in der Branche.
Pflegebereiche melden ersten Zwischenstand
Eine ZDF-Recherche zeigt klar: Bundesweit verzeichnet der Pflegebereich fast überall hohe Impfquoten. So sind in Schleswig-Holstein bereits über 97 Prozent der Mitarbeitenden geimpft. Lediglich 1.354 Personen, also 2,96 Prozent haben noch keinen Impfnachweis vorgelegt. Ähnlich auch in Niedersachsen und Brandenburg mit jeweils, 4,6 Prozent und 6,08 Prozent an Beschäftigten ohne gültigen Impfnachweis.
In Bayern beläuft sich die Zahl ungeimpfter Pflegekräfte auf rund 30.742, was 4,55 Prozent entspricht. Rheinland-Pfalz verzeichnet mit 8.035 Personen ohne gültigen Impfnachweis eine Impfquote von 94 Prozent. In Sachsen liegt die Zahl Ungeimpfter mit 100.000 von insgesamt 300.000 Beschäftigten im Pflegebereich deutlich höher. Die Gesundheitsämter werten die Meldungen der ungeimpften Beschäftigten immer noch aus.
Personalverluste drohen nicht automatisch
Verlieren nun ungeimpfte Angestellte in der Pflege ihre Arbeitsplätze? Antwort: Nicht automatisch. Ungeimpfte Beschäftigte erhalten zunächst die Gelegenheit, zu ihrem Impfstatus Stellung zu nehmen oder sich nachträglich impfen zu lassen. Wenn nach Ablauf einer individuell gesetzten Frist kein Impfnachweis vorgelegt wurde, erwartet die Beschäftigten ohne Impfnachweis ein Verwaltungsverfahren.
Bis der Einzelfall geklärt ist, darf die Pflegekraft ihrer Arbeit weiterhin nachgehen. Nach der Einzelfallprüfung können Gesundheitsämter dann auch ein Betretungsverbot aussprechen. Der Arbeitgeber darf Beschäftigte als letztmögliches Mittel abmahnen und kündigen. Er muss dabei in besonderem Maße die Personallage der Einrichtung berücksichtigen.
- Pflege-Situation bleibt schwierig
1,7 Millionen Menschen arbeiten in Deutschland in Pflegeberufen. Der 12. Mai ist ihnen gewidmet und blickt auf eine nach wie vor schwierige Zukunft des Berufes.
Weiterbeschäftigung unter Auflagen möglich
Personen mit fehlendem Impfstatus können grundsätzlich weiterbeschäftigt werden, wenn sie erhöhte Hygienevorkehrungen beachten. Das könnte zum Beispiel die Auflage sein, mit Vollschutz zu arbeiten.
"Dies gilt insbesondere dann, wenn ansonsten die Versorgung im medizinischen oder pflegerischen Bereich gefährdet wäre", bestätigt Martin Helfrich, Sprecher der Sozialbehörde aus Hamburg. Die Pflegekraft kann zudem in weniger gefährdeten Bereichen ohne direkten Patientenkontakt eingesetzt werden.
Kritik an der Impfpflicht im Gesundheitswesen wird lauter
Trotz hoher Impfquoten sind Länder und Pflegeverbände mit dem Gesetz unzufrieden.
"Es ergaben sich zu Beginn vielfältige Auslegungsfragen, mit denen die Länder weitestgehend alleine gelassen wurden", kritisiert ein Sprecher des Sozialministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen. Tatsächlich gibt es keine Leitlinien für die Einzelfallentscheidungen, die zuständigen Stellen müssen selbst zu vertretbaren Ergebnissen kommen.
Impfpflicht nur bis Ende 2022 gültig
Auch die Pflegeverbände üben zunehmend Kritik. Sie wurden im Gesetzgebungsprozess nicht genügend miteinbezogen. "Wir haben der einrichtungsbezogenen Impfpflicht vor dem Hintergrund der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung zugestimmt, die Begrenzung auf medizinisches Personal ist nur ein halbherziger Schutz der vulnerablen Gruppen", so Dr. Haas.
Hinzukommt, dass die Impfpflicht im Gesundheits- und Pflegebereich nur bis Ende des Jahres gilt. Es kann dazu kommen, dass ein Gesundheitsamt erst kurz vor Jahresende ein Betretungsverbot ausspricht. Eine Kündigung von Seiten des Arbeitsgebers kann die Pflegekraft dann unangemessen benachteiligen. Fazit: Die einrichtungsbezogene Impfpflicht ist ein Kompromiss mit zu viel Umsetzungsspielraum. Das bereitet nun Probleme.
Julia Fischer, Redaktion Recht und Justiz
- Impfpflicht: Tausende Verstöße - keine Folgen
Laut Medienbericht melden die zwanzig größten Städte insgesamt mehr als 45.000 Verletzungen der Impfpflicht im Gesundheitssektor. Konsequenzen gab es bisher in keinem Fall.