Weil Astrazeneca weniger Impfstoff liefert als vereinbart, droht Brüssel mit Exportverboten. Doch die sind unter den EU-Ländern umstritten. Großbritannien sucht das Gespräch.
Ein mögliches Exportverbot für Corona-Impfstoff sorgt vor dem anstehenden EU-Gipfel für Streit. Irlands Regierungschef Micheál Martin sprach sich am Montag vehement gegen Exportbeschränkungen der EU für Impfstoffe oder deren Komponenten aus.
"Es wäre ein sehr rückwärtsgewandter Schritt", sagte Martin dem Rundfunksender RTÉ. Es sei von elementarer Bedeutung, die Lieferketten nicht zu unterbrechen. Andere Länder könnten sonst nachziehen.
Ausfuhrverbot wäre "Lose-Lose-Szenario"
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte am Wochenende vor allem dem britisch-schwedischen Hersteller Astrazeneca damit gedroht, Exporte zu verbieten. Das Unternehmen hatte seine Lieferungen an die EU einseitig drastisch gekürzt: Statt der ursprünglich anvisierten 120 Millionen Impfdosen will Astrazeneca im ersten Quartal nur 30 Millionen kommen, im zweiten Quartal 70 Millionen statt 180 Millionen Dosen.
Grundsätzlich wirft die EU Großbritannien vor, keine Impfstoffe zu exportieren, selbst aber Lieferungen aus EU-Ländern zu nutzen.
Ein niederländischer Regierungsvertreter sprach sich für einen Kompromiss zwischen Großbritannien, der EU-Kommission und Astrazeneca aus. Ein Ausfuhrverbot wäre ein "Lose-Lose-Szenario".
Frankreich: Europa muss seine Interessen verteidigen
Frankreich stellte sich an die Seite von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Europastaatssekretär Clément Beaune sagte: "Das muss die Strategie eines Europas sein, das sich schneller bewegt und seine Interessen verteidigt: mehr produzieren, Verträge durchsetzen, Exporte kontrollieren."
- Gezerre um knappen Corona-Impfstoff
Lieferkürzungen beim Impfstoffhersteller Astrazeneca lassen den Ruf nach Exportstopps lauter werden. Die WTO hält dagegen und fordert einen Abbau von Ausfuhrbeschränkungen.
Von der Leyens Vorschläge für weitere Exportbeschränkungen sollen bei dem EU-Gipfel Ende dieser Woche Thema sein. Bisher ist aber nicht klar, wie weit die Maßnahmen gehen könnten und wen sie genau träfen.
Großbritanniens Premier Johnson will mit EU sprechen
Großbritanniens Premier gab sich zuversichtlich, Exportverbote der EU abwenden zu können.
"Ich bin nach Gesprächen mit EU-Partnern in den vergangenen Monaten sicher, dass sie keine Blockaden wollen", sagte Premierminister Boris Johnson der Agentur Bloomberg. Die Entwicklung und Herstellung von Vakzinen seien internationale Projekte, die internationaler Kooperation bedürften, betonte er.
Der Premier will nach Informationen der BBC vor dem EU-Gipfel am Donnerstag unter anderem Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron überzeugen, die Ausfuhr nicht zu blockieren. Mit beiden soll der Premier bereits am Sonntag telefoniert haben.