Lieferkürzungen beim Impfstoffhersteller Astrazeneca lassen den Ruf nach Exportstopps lauter werden. Die WTO hält dagegen und fordert einen Abbau von Ausfuhrbeschränkungen.
Nach der Ankündigung drastischer Kürzungen der Impfstofflieferungen von Astrazeneca wird der Ruf nach Ausfuhrbeschränkungen lauter. "Es entsteht der Eindruck, dass andere Länder gegenüber der EU bevorzugt werden", sagte Manfred Weber, Chef der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, der "Welt am Sonntag". Solange Astrazeneca seine Zusagen nicht erfülle, "sollte die EU einen grundsätzlichen Exportstopp von in der EU produzierten Impfstoffdosen des Unternehmens verhängen".
Astrazeneca Lieferungen stocken, Johnson & Johnson erst im April erwartet
Der britisch-schwedische Hersteller hatte neue Lieferkürzungen angekündigt. Statt 220 sollen zunächst nur 100 Millionen Dosen bis zur Jahresmitte an die EU gehen. Der Konzern begründete dies unter anderem mit Exportbeschränkungen, ohne Details zu nennen. Thüringen stoppte deshalb schon die Vergabe neuer Impftermine.
Der neu zugelassene Impfstoff von Johnson & Johnson kommt nach Erwartung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auch erst Mitte oder Ende April. Hintergrund sind nach Angaben aus EU-Kreisen unter anderem Zweifel an der Exportpolitik der USA.
USA und Großbritannien weisen Vorwürfe zurück
EU-Ratschef Charles Michel kritisierte, die USA und Großbritannien hätten "eine regelrechte Sperre verhängt für den Export von Impfstoffen oder Impfstoff-Komponenten". Auch Spahn monierte, dass in den vergangenen Monaten "bestimmte Produkte die USA nicht verlassen haben".
US-Regierungssprecherin Jen Psaki betonte zwar: "Es gibt keine Exportverbote." Alle Impfstoff-Hersteller in den USA seien frei darin, ihre Produkte zu exportieren, solange sie gleichzeitig die Zusagen aus Verträgen mit der US-Regierung einhielten. Priorität habe allerdings, zunächst die eigene Bevölkerung zu impfen. Auch die britische Regierung wies ähnliche Vorwürfe in den vergangenen Tagen zurück.
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WTO: Exportbeschränkungen für Medizinprodukte abbbauen
Die Abschaffung von Exportbeschränkungen für Medizingüter fordert indes die Welthandelsorganisation. "Die WTO ermutigt ihre Mitgliedstaaten, diese Restriktionen abzubauen und uns einen Zeitplan für ihre Abschaffung zu nennen", sagte die neue Generaldirektorin Ngozi Okonjo-Iweala der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Der Mangel an Corona-Vakzinen sei auch darauf zurückzuführen, dass 59 Staaten auf der Welt solche Exportrestriktionen verhängt hätten. Diese gefährdeten die Lieferketten der Impfstoffhersteller und damit deren Produktion.
Die WTO-Chefin verurteilte außerdem, dass reiche Industriestaaten im Rahmen der sogenannten Covax-Initiative der Weltgesundheitsorganisation WHO knappe Impfstoffe, die eigentliche für arme Länder gedacht seien, wegkauften. "Das ist nicht in Ordnung", sagte Okonjo-Iweala der Zeitung.
EU verlängert Exportkontrolle für Impfstoffe
Die EU hatte ihre Ende Januar eingeführte Exportkontrolle für Corona-Impfstoff jüngst bis Ende Juni verlängert. Demnach müssen Pharmakonzerne, die mit der EU Lieferverträge geschlossen haben, weiter Genehmigungen beantragen, wenn sie bestimmte Drittstaaten beliefern wollen.
Seit Anfang Februar wurden nach Angaben einer Kommissionssprecherin 249 solche Anträge genehmigt und der Export von 34 Millionen Dosen Corona-Impfstoff an 31 Länder erlaubt. Nur ein Antrag wurde abgelehnt - der Export von 250.000 Dosen des Impfstoffs von Astrazeneca an Australien, den Italien vor einigen Tagen gestoppt hatte. Hintergrund ist, dass Astrazeneca vertragliche Zusagen an die EU-Staaten derzeit nicht voll erfüllt.
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