Im April soll es deutlich mehr Corona-Impfstoff für Deutschland geben. Haben wir auch die Kapazitäten, um 40 Millionen Dosen pro Monat zu verimpfen? Wir haben nachgerechnet.
Zu langsam, zu holprig: Die Impfkampagne in Deutschland hatte keinen einfachen Start. Erst dauerte die Zulassung zu lange, dann wurde zu wenig Impfstoff geliefert. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) steht unter Beschuss, Feuerschutz sollen ihm die Arztpraxen geben. Zusammen mit den Impfzentren und mobilen Impfteams sollen sie die bald hochgefahrenen Impfstoffmengen verimpfen. [Wie viele Menschen bisher geimpft wurden, lesen Sie hier.]
Denn vom Impfstoff soll es bald reichlich geben: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat für das zweite Quartal 2021 angekündigt, dass etwa 100 Millionen Dosen pro Monat möglich sind - und dann 20 Millionen davon monatlich an Deutschland gehen könnten.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) erwartet 25,7 Millionen Dosen pro Monat im zweiten Quartal. Dabei wird davon ausgegangen, dass auch die Präparate von Johnson & Johnson und Curevac zugelassen werden.
Derzeitige Impfkapazität reicht nicht aus
Könnte Deutschland eine so hohe Anzahl an Dosen überhaupt verimpfen? Ein Blick auf die Zahlen verrät: momentan nicht. Die mobilen Teams und Zentren in den Ländern können nach ZDFheute-Recherchen durchschnittlich rund 354.000 Impfungen am Tag maximal leisten (niedrigere Leistung am Wochenende berücksichtigt).
Bei gleichbleibender Leistung wären so 10.628.700 Impfungen pro Monat möglich - von 20 Millionen Impfungen ist man damit weit entfernt.
Arztpraxen als Retter der Impfkampagne?
Hilfe soll aus den deutschen Arztpraxen kommen - sie sollen "der Gamechanger" beim Impfen werden, so nannte es der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) kürzlich.
- Die KBV rechnet mit etwa 50.000 Praxen, die an der Impfkampagne teilnehmen werden.
- Jede Praxis könnte laut KBV pro Arbeitstag also 20 Impfungen durchführen.
- Damit könnte allein durch die Beteiligung von Arztpraxen eine Million Impfungen pro Werktag zusätzlich möglich sein - also 20 Millionen in jedem Monat.
Rechnet man die monatlichen Kapazitäten der Impfzentren dazu (10.628.700 Impfungen) wären nach unseren Berechnungen in jedem Monat insgesamt 30.628.700 Impfungen möglich.
So viel Impfstoff wird aber gar nicht geliefert.
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Zur Erinnerung: Ursula von der Leyen rechnet mit 20 Millionen möglichen Dosen im April. Das BMG im besten Fall mit 25 Millionen. Die Forderung an dieser Stelle wäre eine altbekannte: Es braucht mehr Impfstoff.
Ganz so einfach ist es vermutlich aber nicht: Es muss auch berücksichtigt werden, dass die Arztpraxen höchstwahrscheinlich nicht von Anfang an mit voller Schlagkraft impfen können, es wahrscheinlich weniger als eine Million Impfungen am Tag geben wird.
Viele Länder erhöhen ihre Impf-Kapazitäten im April
Einige Bundesländer haben bereits angekündigt, dass sie ihre Kapazitäten in den Impfzentren erhöhen. Bayern zum Beispiel plant nach ZDFheute-Informationen mit einer Erhöhung von aktuell 49.000 auf 111.000 täglichen Impfungen im April. In Bremen sollen künftig 17.000 statt 2.840 Impfungen möglich sein. Ausgeschöpft werden die aktuellen Kapazitäten bisher in keinem Land.
Bisher haben neun Bundesländer Kapazitätserhöhungen für Ende März/Anfang April angekündigt (in der Tabelle orange eingefärbt). Bliebe es bei den prognostizierten Werten, wären statt 354.000 Impfungen am Tag bald 534.600 am Tag möglich.
Hochgerechnet auf den April bedeutet das: Im gesamten Monat wären mit den gesteigerten Kapazitäten und voll einsatzfähigen Arztpraxen 36.038.000 Corona-Impfungen möglich.
Wie realistisch ist Scholz' Traum von zehn Millionen Impfungen pro Woche?
Am Sonntag versprach Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) im ZDF, es werde ab Ende März bis zu zehn Millionen Impfungen pro Woche geben. Allerdings würden die bisherigen Impfkapazitäten bis zum 28. März an ihre Grenzen kommen, warnte Scholz weiter.
Scholz' Versprechen würde bedeuten, dass pro Monat 40 Millionen Impfungen durchgeführt werden könnten. Unser Rechenmodell zeigt: Selbst mit der bereits angekündigten Kapazitäts-Erhöhung der Impfzentren und den eingebundenen Arztpraxen ist das nicht möglich.
Um die Prognosen des Vizekanzlers umsetzen zu können, müssten weitere Arztpraxen an der Impfkampagne teilnehmen und die Länder ihre Impfzentren noch drastischer ausbauen.
Die bisher angesetzten Steigerungen reichen nicht, um eine solche Menge an Impfungen zu stemmen. Doch selbst wenn: Die bisher angekündigten Lieferversprechen von 20 Millionen Dosen reichen dafür bei weitem nicht, es gibt für solche Pläne schlicht zu wenig Impfstoff.