Gesundheitsminister Lauterbach beklagt zu wenig Impfstoff für Anfang 2022. Die Union wehrt sich und sieht ein "politisches Manöver".
Eine Corona-Impfstoffinventur hat nach Angaben des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach einen Mangel für das erste Quartal 2022 ergeben. "In der Tat, wir haben zu wenig Impfstoff. Das hat viele überrascht - mich auch", sagte der SPD-Politiker am Dienstagabend in den ARD-"Tagesthemen". Er arbeitet nach eigenen Worten bereits daran, den Mangel zu beseitigen. "Ich hoffe, dass ich da in den nächsten Tagen eine positive Botschaft übermitteln kann."
Bemühungen liefen über alle Kanäle, auch direkt zu Unternehmen, es müsse alles EU-konform sein. "Wir müssen hier Geschwindigkeit gewinnen", sagte Lauterbach.
Union weist die Kritik von sich
Die Union wehrt sich gegen die Kritik, die alte Regierung habe nicht genügend Impfstoff für die Booster-Kampagne bestellt. Dies sei ein in "durchsichtiges politisches Manöver", um die SPD von der Großen Koalition abzusetzen und mit einer Kampagne gegen die Union zu starten, schrieb der CDU-Abgeordnete Tino Sorge an seine Bundestagsfraktion. Das Schreiben liegt dem ZDF vor.
Der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn habe "zur Beschleunigung der Kampagne eine Reihe von Maßnahmen ergriffen" und Deutschland noch für Dezember zusätzliche Impfstoff-Dosen gesichert: acht Millionen Dosen Moderna, was 16 Millionen Booster-Dosen entspreche, sowie drei Millionen Dosen Biontech/Pfizer durch den Ankauf von Polen.
Mit den bereits erfolgten und den noch geplanten Impfstoff-Lieferungen für Dezember würden damit für die Booster-Kampagne mehr als zehn Millionen Dosen Biontech/Pfizer und 40 Millionen Booster-Dosen Moderna bis zum Jahresende zur Verfügung stehen. Damit habe Deutschland genügend Impfstoff, um "kurzfristig ein entsprechendes Angebot machen zu können – völlig unabhängig davon, wann die Zweitimpfung verabreicht wurde", heißt es in dem Schreiben weiter.
Holetschek im ZDF über den Impfstoffmangel
Auf die Frage im ZDF-"heute journal", ob der Mangel auf ein Versäumnis des Lauterbach-Vorgängers Jens Spahn (CDU) zurückzuführen sei, sagte der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz (GMK), der bayerische Ressortchef Klaus Holetschek (CSU), es sei jetzt nicht die Frage, wo was bestellt worden sei. "Sondern die Frage ist, wie können wir noch mehr beschaffen."
Gassen: Eingeständnis des Impfstoffmangels ein "fatales Signal"
Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, sagte es sei ein "fatales Signal" an alle, die mit vollem Einsatz die Pandemie bekämpften. "Wir haben in Deutschland gerade Rekord-Tempo beim Impfen in den Praxen erreicht, da kommt diese Nachricht", sagte Gassen "Bild".
Zentrales Mittel der Bundesregierung: Impfkampagne
Die Regierung treibt in der Pandemiebekämpfung als zentralen Baustein eine große Impfkampagne voran. Dies liegt neben der massiven vierten Welle auch an der sich ausbreitenden, hochinfektiösen Omikron-Variante. Ein Wegfall von Extra-Tests für Dreifach-Geimpfte bei Zugangsregeln nach dem Modell 2G plus soll für zusätzliche Impfanreize sorgen. Auf diese Maßnahme hatten sich die Gesundheitsminister von Bund und Ländern am Dienstagabend verständigt.
Die Erleichterungen sollen aber spätestens nach zwei Monaten überprüft werden, wie der GMK-Vorsitzende Holetschek nach den Beratungen sagte. In medizinischen und Pflege-Einrichtungen soll zum Schutz der dort besonders verwundbaren Menschen weiter auch von Geboosterten ein Test verlangt werden. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz begrüßte dies.
Kritik an Testpflicht-Ende für Geboosterte
An Test-Erleichterungen für dreifach Geimpfte war zuvor Kritik laut geworden. Manche Experten hielten diesen Schritt für verfrüht. Lauterbach rechtfertigte ihn jedoch. "Der Verzicht auf die Testung von Geboosterten macht epidemiologisch Sinn", sagte er noch vor der Bund-Länder-Runde der Gesundheitsminister. Mit einer Auffrischimpfung habe man nur noch ein geringes Risiko, sich zu infizieren - und ein noch geringeres, dass man für andere ansteckend sei.
Lauterbach sagte in der ARD, wenn Omikron in Deutschland Fuß fassen würde, müsse man an den Beschluss erneut heran. Daher sei er auf zwei Monate begrenzt. Für die jetzige Delta-Welle gebe es nun aber mehr Anreize für Booster-Impfungen - und die seien das wichtigste Instrument, eine Omikron-Welle zu bekämpfen. Die verstärkende dritte Spritze soll in der Regel fünf bis sechs Monate nach einer vollständigen Grundimmunisierung gegeben werden.
- Wie sich Omikron entwickeln könnte
Laut Experten dürfte Omikron Delta bald als dominante Corona-Variante ablösen. Was könnte das bedeuten? Vier Szenarien.