Kein Impfstoff, keine Termine: Die SPD macht Druck auf Minister Spahn und die Kanzlerin. Die Regierung sagt: Es gibt kein Impfchaos. Ändern soll sich trotzdem etwas. Nur was?
265.000 geimpfte Deutsche in acht Tagen. Zusammenbrechende Hotlines zur Terminvergabe. Länder ohne Impfstoff, der zu spät oder gar nicht bestellt wurde: Die SPD hält die Impfkampagne gegen das Covid19-Virus für völlig vermasselt. Vor dem Gipfel am Dienstag zwischen Bundesregierung und den Ländern erhöhen die Genossen den Druck auf den eigenen Koalitionspartner, vor allem auf Gesundheitsminister Jens Span und Kanzlerin Angela Merkel (beide CDU).
SPD: "Chaotische Zustände"
Deutschland stehe beim Impfstart schlechter da als andere in der EU, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil im Morgenmagazin. "Chaotische Zustände" seien das. Minister Spahn "macht es sich zu einfach", so Klingbeil, wenn er die Schuld auf die geringen Impfzahlen auf die Bundesländer schiebe:
Von Spahn und Merkel forderte er, dass sie alle Pharmaunternehmen an einen Tisch holen, um die schleppende Impfstoffproduktion zu erhöhen.
Warum ist vom Hersteller Biontech nicht mehr bestellt worden, warum nicht mehr von Moderna? "Das muss geklärt werden", sagte im NDR Bärbel Bas, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Auch von der Kanzlerin.
Vize-Bundesvorsitzender Kevin Kühnert forderte, dass die EU ihre Verträge mit den Impfstofflieferanten offenlegt. Hat die Europäische Union zu viel bei anderen Herstellern bestellt, bis für den aussichtsreichsten Biontech/Pfizer kaum mehr Geld übriggeblieben sei? "In einer Krise, in der wir Milliarden ausgeben", so Kühnert bei n-tv, "zu knausern", sei wenig einleuchtend.
Seibert: Europäische Weg war gemeinsame Entscheidung
Regierungssprecher Steffen Seibert verteidigte vor Journalisten den europäischen Weg der Bundesregierung:
Die Ungeduld der Bürger, die Fragen seien zwar "berechtigt", so Seibert. Es sei aber "vollkommene gemeinsame Entscheidung" der 27 EU-Länder und nicht der Kanzlerin allein gewesen, als EU mit den Impfherstellern zu verhandeln und Verträge abzuschließen.
- Zweite Dosis später und mehr pro Ampulle?
Die Kritik an Corona-Impfstoffverteilung und Impftempo schwelt weiter. Gesundheitsminister Spahn lässt deshalb eine andere Nutzung der verfügbaren Dosen prüfen.
Das ist die Lage:
- Bis 31.12.2020 wurden 1,3 Millionen Dosen Impfstoff vom bislang einzigen europaweit zugelassenen Hersteller Biontech/Pfizer nach Deutschland ausgeliefert.
- Stand Dienstag, 8 Uhr, wurden nach Angaben des Robert-Koch-Instituts knapp 265.000 Menschen geimpft.
- Bis 8. Januar sollen weitere 670.000 Impfdosen geliefert werden. Bis zum Ende des ersten Quartals sollen es insgesamt elf Millionen sein.
- "Zeitnah", so Seibert, werde damit gerechnet, dass nach Biontech auch der Impfstoff des Herstellers Moderna zugelassen wird.
Ab Dienstag besser, aber wie?
Trotzdem, so Seibert, wolle man sich am Dienstag beim Gipfel über Verbesserungen bei der Impfstrategie mit den Ländern besprechen. Einige Vorschläge lehnt die Bundesregierung allerdings ab:
- Eigene, nationale Verträge mit den Herstellern? Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums wäre die Lage heute nicht anders, wenn Deutschland allein statt mit der EU zusammen die Impfdosen bestellt hätte. Problem sei vielmehr die Produktion, so der Sprecher.
- Lizenzen für andere Unternehmen, um die Impfstoff-Produktion zu beschleunigen? Vor allem die Linke fordert das. Das Gesundheitsministerium ist jedoch dagegen: Das sei nicht so einfach, Impfstoffproduktion eine "komplexe Angelegenheit". Man wolle vielmehr Biontech helfen, eine Produktion in Marburg zu übernehmen, das sei schneller.
- Streckung des Impfstoffs, indem man statt fünf, wie bislang erlaubt, sechs Dosen aus einer Ampulle impft? Die Genehmigung von der Europäischen Arzneimittelbehörde ist beantragt, heißt es vom Ministerium.
Da ist man in Nordrhein-Westfalen pragmatischer. Dort werde schon jetzt mehr aus einer Ampulle von Biontech/Pfizer verimpft. Statt 5 sind es 5,5 Impfdosen pro Zuteilung. Also ein Mensch zusätzlich nach jeder zweiten Impfdose. "Es hat sich als realistisch erwiesen", sagte am Dienstag Sozialminister Karl-Josef Laumann, "dass das eine gute Rechengröße ist."