Lieferprobleme bei den Herstellern, auch sonst läuft es keineswegs rund: Jens Spahns "Impfstrategie" droht zu scheitern, der Minister steht mit dem Rücken zur Wand. Ein Kommentar.
"Ja. Es ruckelt." Das hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zum Impfstart eingestanden. Jetzt steht das Versprechen, jedem könne "bis zum Sommer ein Impfangebot" gemacht werden, auf dem Spiel. Es ruckelt nicht, das ist ein Beben.
Impfversprechen könnte kippen
Kein Tag ohne schlechte Nachrichten, die Hiobsbotschaften stapeln sich im Bundesgesundheitsministerium und mitten drin: Jens Spahn. Am Montag wird der Ressortchef nicht nur mit Lieferproblemen bei Astrazeneca konfrontiert, es gibt auch Berichte, der Impfstoff wirke möglicherweise kaum bei Menschen über 65.
Das Unternehmen dementiert schnell und hart: "Alles komplett falsch." Und das Ministerium erklärt, eine geringere Wirksamkeit könne nicht bestätigt werden. Trotzdem drohen Konsequenzen: Die Zulassung, die europaweit noch aussteht, könnte nur noch eingeschränkt erfolgen - nicht geeignet für Senioren. Die sogenannte Impfstrategie wird zunehmend zu einem waghalsigen Manöver und das Impfversprechen könnte kippen.
Panik und Politik
Der Bundesgesundheitsminister steht unter Druck wie nie. Agiert er nun in Panik? Am Montag wird auch bekannt: Spahn hat für 400 Millionen Euro 200.000 Dosen Antikörper-Medikamente eingekauft, darunter auch das Mittel, welches Ex-Präsident Donald Trump bekam, als er sich mit Corona infizierte. Trump feierte seine schnelle Genesung als "Wunder".
Das Medikament kann möglicherweise einen schweren Krankheitsverlauf verhindern, wenn es in einem sehr frühen Infektionsstadium eingesetzt wird. Der Haken ist allerdings: In den USA ist es per Notfall-Zulassung auf dem Markt, in Europa steht diese noch aus. Und Wissenschaftler warnen, man wisse noch zu wenig über die Medikamente.
Nebelkerzen gegen Misserfolge?
Ist es also Zufall, dass die Nachricht vom Kauf der vermeintlichen "Wundermedikamente" ausgerechnet am Montag veröffentlicht wurde, als die viel gepriesene "Impfstrategie" in sich zusammenzufallen drohte? Wohl auch kein Zufall, dass der Minister am selben Tag auf EU-Ebene Regelungen forderte für Exporte von Impfstoffen, damit genug für Deutschland übrig bleibt. Und diese Forderung noch einmal am Dienstag im ZDF bekräftigte.
Doch die Macht des mächtigsten Bundesgesundheitsminister, den es je gab, scheint deutlich begrenzt zu sein. Es drängt sich das Bild von den Nebelkerzen auf, die von Politikern geworfen werden, damit die eigentlichen Misserfolge nicht sichtbar werden.
Die Macht der Pharmahersteller
Die Hilflosigkeit und das Versagen werden immer deutlicher. Pharmahersteller, die offenbar machen können, was sie wollen: keineswegs Gutmenschen, die die Welt retten wollen. Es ist ein knallhartes Geschäft und es ist das traurig-schockierende Schauspiel zu beobachten, wie die Politik am Nasenring durch die Arena gezogen wird.
Fragt man beim Bundesgesundheitsministerium nach, ob es nicht Sanktionen geben könne - wegen vermehrter Lieferengpässe - wird nach Brüssel verwiesen. Dort seien die Verträge schließlich gemacht worden. Brüssel drohte auch gleich - es ist wohl nicht mehr als ein Feigenblatt, um nicht ganz nackt dazustehen.
Spahn mit dem Rücken zur Wand
Jens Spahn galt als erfolgreicher Pandemie-Manager, Liebling unter den Spitzen-Politikern - beim ZDF-Politbarometer von Mitte Januar kam er auf Platz zwei, direkt hinter der Kanzlerin. Die erste Corona-Welle verlief einigermaßen glimpflich - zumindest im europäischen Vergleich.
Jetzt wird die Liste der Misserfolge täglich länger - mit fatalen Folgen für die Bevölkerung. Impfstrategie misslungen, Impfversprechen wahrscheinlich nicht einzuhalten, fragwürdiger Einkauf von Medikamenten: Ein Minister, dem nicht mehr viel gelingt. Jens Spahn steht mit dem Rücken zur Wand.