Seit rund drei Monaten impfen Hausarztpraxen mit - ihr größtes Problem aktuell: nicht abgesagte Termine. Einige mussten bereits Impfstoff wegwerfen.
Zu wenig Impfstoff ist nicht mehr seine größte Sorge: Doktor Wolfgang Kreischer kämpft in seiner Praxis in Berlin-Zehlendorf nun viel mehr mit nicht abgesagten Corona-Impfterminen. So impfen sie hier inzwischen nicht mehr an fünf, sondern nur noch an drei Tagen, da sie häufig Termine um- und zusammenlegen müssen, weil wieder einmal jemand nicht abgesagt hat. "Im schlimmsten Fall müssen wir Impfstoff wegwerfen oder er verfällt", berichtet Kreischer, der auch Vorsitzender des Hausärzteverbandes Berlin und Brandenburg ist.
Nicht abgesagte Impftermine: "Enormer" Aufwand
Über die Gründe kann er auch nur spekulieren, viele hätten sich wohl bei mehreren Praxen angemeldet, oder in der Zwischenzeit im Impfzentrum einen Termin bekommen. Doch auch eine gewisse Impfmüdigkeit, seit die Inzidenzen sinken, schließt Kreischer nicht aus. Es sei in jedem Fall ein enormer Organisationsaufwand, vor allem für seine Praxismanagerin Anne von Toerne.
Schlimm sei nicht nur, dass sie bereits Impfstoff wegwerfen mussten, weil kurzfristig Termine nicht mehr besetzt werden konnten, sondern auch die fehlende Planbarkeit. Vorab müssten die nötigen Impfdosen beschafft werden, und es müsse organisiert werden, wann Personal und Arzt anwesend sind, sagt von Toerne.
- Wie läuft's mit der Impfkampagne?
Bis Ende Juli sollen alle mindestens einmal geimpft sein, die es wollen. Wird das klappen? Und wird es ausreichen um die Delta-Variante einzudämmen? Ein Blick auf die Zahlen.
Ihr Team müsse nun alle, die sich zum Impfen angemeldet haben, wieder anschreiben und daran erinnern, Bescheid zu geben, falls sie den Termin nicht wahrnehmen wollen. Nicht immer komme darauf eine Antwort. Manchmal sei die einzige Chance, eine Reaktion auf eine Impfeinladung zu bekommen, den Termin zu verschieben. Besonders absurd sei zudem, dass die Patient*innen wenige Tage vor ihrem Termin eine Erinnerungsnachricht erhalten, und einige dann trotzdem nicht erscheinen.
Kurzfristig oft kein Ersatz für Impfung zu finden
Christian Sommerbrodt vom Hausärzteverband Hessen berichtet, seine Praxis käme nach wie vor jeden Tag an ihre Grenzen im Impfchaos. Die Nachfrage nach Impfungen in seiner Praxis sei nach wie vor höher als der Impfstoffbestand. Zusätzlich kämpft auch er mit nicht abgesagten Impfterminen.
Teilweise werde erst so kurzfristig erst storniert, dass er keinen Ersatz mehr findet.
Unterschied zwischen Stadt und Land
Der Vorsitzende des Hausärzteverbandes Nordrhein-Westfalen, Oliver Funken, berichtet, dass es in seiner Praxis, im Rhein-Sieg-Kreis im eher ländlichen Raum, weniger Probleme mit nicht abgesagten Terminen gebe. Auch insgesamt sei die Situation entspannter als noch zu Beginn der Impfkampagne in den Hausarztpraxen, da sich die Arbeit nun auf immer mehr Schultern verteile.
Die größte Sorge hat Funken aktuell vor einer erneuten Corona-Welle nach den Sommerferien, wenn viele aus dem Ausland zurückkämen. "Das ist wieder derselbe Fehler, den wir schon beim letzten Mal gehabt haben", meint Funken. Sein Rat: "Bleibt zuhause, alles andere ist nicht kalkulierbar."
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