Hausärzte und Patientenschützer kritisieren die Aufgabe der Covid-Impfpriorisierung ab kommenden Montag. Noch seien Millionen Menschen aus den Prioritätsgruppen ungeimpft.
Der alte Flughafen Schönefeld ist eines von 14 Brandenburger Impfzentren. Rund 1.000 Menschen bekommen hier am Tag die Spritze gegen das Virus. Jetzt endet die Impf-Priorisierung.
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Es ist gerade einen Monat her, dass die Ständige Impfkommission (Stiko) "an die Solidarität" der Ärzteschaft und der gesamten Bevölkerung appellierte, "bis auf Weiteres vorrangig besonders gefährdeten Personen eine Impfung zu ermöglichen".
Spahn widersetzt sich Rat der Stiko
Der Grund: Noch immer sind laut Stiko Millionen Menschen der höheren Altersstufen und Jüngere mit hohem Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf nicht geimpft.
Dennoch entschied Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), dass sich ab Montag jeder für eine Impfung anmelden kann. Zwar gebe es in den Prioritätsgruppen eins, zwei und drei noch Menschen ohne Impftermin, aber:
Der Deutsche Hausärzteverband und die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisieren Spahns Vorgehen.
Hausärzte fürchten "unkontrollierten Run" auf die Praxen
"Der Impfstoff ist noch immer knapp, die Lieferungen sind zu unzuverlässig." So umreißt Ulrich Weigeldt, der Bundesvorsitzende des Hausärzteverbands, das Hauptproblem.
Das Ende der Impfpriorisierung erschwere den Ärzten die Arbeit enorm, "indem falsche Erwartungen geweckt werden und sich der unkontrollierte Run auf die Impfungen verstärkt", so Weigeldt.
Gesundheitsministerium reicht Verantwortung weiter
Gesundheitsminister Spahn versucht indes, auf die Bremse zu treten. Seine Botschaft: Aufgrund der begrenzten Impfstoffmenge könnten nicht alle Impfwilligen im Juni geimpft werden.
Die Verantwortung reicht das Ministerium aber weiter: "Die konkrete Planung der Impfungen obliegt den Ländern und den teilnehmenden Ärzten", heißt es auf ZDFheute-Anfrage.
Jens Spahn hat bei einem Treffen der G7-Gesundheitsminister in Oxford eine solidarische Impfstoffverteilung gefordert. Es gehe darum, "die Welt aus der Pandemie zu führen".
Patientenschützer spricht von "unerträglichen" Zuständen
Patientenschützer Eugen Brysch spricht von einem enormem Druck auf die Mediziner, der durch die Politik noch einmal erhöht werde:
Angesichts des andauernden Impfstoffmangels wachse bei vielen noch ungeimpften Menschen aus den Prioritätsgruppen ein Gefühl der Hilflosigkeit:
Hauptursachen für Impfrückstände
Neben zu geringen Impfstofflieferungen und Problemen bei der Verteilung benennt Ulrich Weigeldt bürokratische Hürden als weiteren Hauptgrund für Impfrückstände in den besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppen.
Einladungsverfahren, Terminabsprachen, der Gang ins Impfzentrum: Dies sei für viele ältere Menschen zu komplex oder zu unvertraut gewesen.
In anderen Fällen beschließen Ärzte und Patienten gemeinsam, vor einer Covid-Impfung zunächst den Verlauf bestehender anderer Erkrankungen und Therapien abzuwarten. Hinzu kommen auch Menschen, die eine Impfung aus Sorge vor gesundheitlichen Risiken ablehnen.
Versprechen an Menschen aus Prioritätsgruppen
Millionen impfbereiten Menschen aus der Prioritätsgruppe drei, die noch immer auf einen Termin warten, versichern die Gesundheitsminister der Länder indes, sich ab Montag nicht wieder hintanstellen zu müssen.
So formuliert etwa Clemens Hoch (SPD), Gesundheitsminister in Rheinland-Pfalz, in einem Rundschreiben:
Das gilt zumindest für die Impfzentren.
- Stiko-Chef: Impfung ist "kein Lakritzbonbon"
Manches laufe falsch in der Debatte über Corona-Kinderimpfungen, findet Stiko-Chef Mertens - etwa das Thema Schule damit zu verknüpfen.