Bundeseinheitliche Regelungen, wenn die Inzidenz über 100 liegt - das wollen Bund und Länder. Doch was genau? Vieles ist noch offen. Vieles ist möglich, nicht alles wird gemacht.
Noch sind die Details zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes, die das Bundeskabinett am Dienstag abstimmen will, nicht bekannt. Noch ist das weitere Prozedere nicht klar: Stimmt noch in der gleichen Woche der Bundestag ab, kommt der Bundesrat zu einer Sondersitzung vor seiner regulären Sitzung am 7. Mai zusammen? Wann können also die Maßnahmen in Kraft treten?
Was auf die Menschen nun zukommen könnte, lässt sich trotzdem erahnen.
Genaue Regelung, aber welche?
Bislang regelt das Infektionsschutzgesetz nur im groben Rahmen, was bei welcher Inzidenz zu tun ist. Zum Beispiel: Bei mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen sind "umfassende Schutzmaßnahmen" zu ergreifen. Was das genau bedeutet, war bislang jedem Bundesland selbst überlassen. Zur Inzidenz ab 100 steht im Gesetz nichts.
Die Länder hatten sich bereits Anfang März allerdings darauf verständigt, dass dann die Corona-Notbremse gelten soll, die vor allem Kanzlerin Angela Merkel durchgesetzt hatte. Konkret hieß das: Treffen nur mit einem Haushalt plus einer Person, Friseure müssten schließen, Galerien und mancherorts Museen, zum Teil der Einzelhandel.
Tatsächlich haben sich die Länder daran nur noch sehr kreativ gehalten, obwohl in vielen Landkreisen die Inzidenz auf über 100 gestiegen ist. Außerdem waren manche Länderverordnungen offenbar so schlecht, dass manche von Gerichten gekippt wurden.
Friseure sind überall geöffnet. Bayern zum Beispiel ließ auch bei der Inzidenz 100 plus "Click & Meet" plus Testpflicht zu. Während dort eine Ausgangsbeschränkung zwischen 22 und 5 Uhr gilt, ist in Berlin derzeit ab 21 Uhr Ende.
Vereinheitlicht werden sollen nun laut Vize-Kanzler Olaf Scholz:
- Ausgangbeschränkungen
- Distanzunterricht in den Schulen ab Inzidenz 200
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet bringt noch ins Spiel:
- Maskenpflicht
- Abstandsgebote
- Kontaktbeschränkungen
Und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn forderte auch:
- Testpflicht zweimal die Woche in Kitas, Schulen und Betrieben.
- Durchsetzung der Homeofficepflicht.
Gutachten: Schulen gingen auch
Dass die Bundesregierung überhaupt denkt, sie kann im föderalen organisierten Staat Länderverordnungen umgehen, hat mit einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zu tun. Das hatte schon Ende März eingeschätzt:
Und weiter: "Beim Gesetzesvollzug durch die Länder bestünde in einem solchen Fall wenig Spielraum." Laut Grundgesetz ist dies bei Maßnahmen gegen "gemeingefährliche und übertragbare Krankheiten" zulässig.
Der Wissenschaftliche Dienst kommt außerdem zu dem Schluss: Der Bund könnte auch infektionsschutzrechtliche Vorschriften für Schulen machen. Da haben zwar die Länder das Sagen, was aber "in Bezug auf die Pandemiebekämpfung von der speziellen Kompetenz des Bundes" verdrängt werden kann.
"Brücken-Lockdown" offensichtlich vom Tisch
Die Kulturhoheit ist allerdings immer ein heißes Eisen. In einem Wahljahr ganz besonders. Eher unwahrscheinlich also, dass der Bund hier den Ländern detaillierte Vorschriften machen wird. Denn schließlich muss das Gesetz auch durch den Bundesrat.
Noch am Donnerstag hatten sich vor allem sozialdemokratische Länder gegen ein bundeseinheitliches Regelwerk gewehrt. "Wir haben im Moment alle Instrumente, die man braucht", hatte etwa Malu Dreyer aus Rheinland-Pfalz gesagt. Sowohl Stephan Weil aus Niedersachsen und Michael Müller aus Berlin waren der Meinung, dass die bereits festgelegte Notbremse ausreichend sei. "Wir haben alle Instrumente an der Hand", so Müller.
Ob sie im Bundesrat trotzdem zustimmen? Vizekanzler Olaf Scholz ist sich sicher:
Ein neuer Shutdown, ein Brücken-Lockdown, wie ihn Laschet ins Spiel gebracht hatte, ist damit offensichtlich vom Tisch. Regierungssprecherin Ulrike Demmer: Eine "bundeseinheitliche Umsetzung der Notbremse verfolgt ja das gleiche Ziel."