Die Kanzlerin hat angedeutet, der Bund könne aktiver werden, wenn Corona-Maßnahmen der Länder nicht ausreichen. Tatsächlich erlaubt das Grundgesetz, vieles bundesweit zu regeln.
"Wir sind verpflichtet, qua Gesetz das Infektionsgeschehen einzudämmen", hatte Kanzlerin Angela Merkel in der ARD-Sendung "Anne Will" am Sonntag erklärt. "Und im Augenblick ist die Eindämmung nicht da."
Welche Einschränkungen die Bürger unter Umständen hinnehmen müssen, wenn der Infektionsschutz es erfordert - das regelt das Infektionsschutzgesetz. Es schreibt diese Einschränkungen aber nicht vor, sondern es ermächtigt die Länder (und bei bestimmten Themen auch den Bund), entsprechende Verordnungen zu erlassen. Aufgrund dieser Verordnungen werden die Behörden dann tätig.
Länder halten sich nicht an Beschlüsse
Bisher lief es so, dass Bund und Länder sich bei den Videokonferenzen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten auf bestimmte Maßnahmen verständigten. Wenige Tage später konnte man allerdings beobachten, dass viele Länder sich nicht exakt an das Beschlossene hielten.
Denn die Länder sind es, die das Vereinbarte per Rechtsverordnung umsetzen müssen - was sie nicht immer tun. Häufig sind die verbindlichen Regeln großzügiger als die Beschlüsse der Bund-Länder-Konferenzen.
- Merkel fordert härteren Corona-Kurs
Kanzlerin Merkel fordert von den Ländern einen härteren Corona-Kurs. Der letzte Bund-Länder Gipfel sei eine Zäsur gewesen: "So kann es nicht weitergehen." Öffnung sei keine Lösung.
Länder legen "Notbremse" unterschiedlich aus
Besonders deutlich wurde das im Fall der sogenannten "Notbremse": Bei Inzidenzen über 100 sollten früher vereinbarte Einschränkungen wieder in Kraft treten, hatte die Videokonferenz beschlossen. Länder wie zum Beispiel Brandenburg und Nordrhein-Westfalen legten diese Vereinbarung dann sehr eigenwillig aus.
Deshalb stellt sich jetzt die Frage, ob der Bund nicht bestimmte Einschränkungen zum Infektionsschutz - etwa Kontaktbeschränkungen, Maskenpflicht, Abstandsgebote, Schließungen von Läden und Restaurants - selber regeln könnte, bundesweit einheitlich. So würde man vermeiden, dass jedes Land sein eigenes Süppchen kocht. Und die Maßnahmen wären für die Bürger verständlicher als 16 unterschiedliche Landesregelungen.
Bund kann Länder entmachten
Tatsächlich eröffnet das Grundgesetz diese Möglichkeit: Nach Artikel 74 fallen Maßnahmen gegen gemeingefährliche Krankheiten in den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung. Das bedeutet: Wenn der Bund auf diesem Gebiet ein Gesetz erlässt, hat das Vorrang vor irgendwelchen Gesetzen oder Verordnungen der Länder.
In der Konsequenz heißt das: Durch eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes könnte der Bundestag den Ländern die Zuständigkeit für Verordnungen zum Infektionsschutz entziehen und ihre Befugnisse einschränken. Der Bundestag könnte die Zuständigkeit für konkrete Maßnahmen zum Infektionsschutz der Bundesregierung übertragen. Ebenso könnte das Parlament bestimmte Einschränkungen selber beschließen.
Mitwirkung der Länder
Ganz ohne die Länder ginge es allerdings nicht. An der Gesetzesänderung, die dem Bund erlauben würde, konkrete Maßnahmen zum Infektionsschutz anzuordnen, müsste der Bundesrat beteiligt werden. Ob seine Zustimmung unabdingbar ist oder ob sein Einspruch durch den Bundestag zurückgewiesen werden könnte – darüber sind sich die Staatsrechtler nicht ganz einig.
Der heikelste Punkt wären dabei die Schulen: Bildung ist Ländersache; für den Infektionsschutz ist der Bund zuständig. In welcher Form also der Bundesrat an der Entmachtung der Länder zu beteiligen wäre, könnte ein Thema für das Bundesverfassungsgericht werden.
Die Autoren gehören zur ZDF-Redaktion Recht und Justiz.
- Söder fordert mehr Kompetenzen für den Bund
CSU-Chef Söder spricht sich für klarere Vorgaben für Corona-Einschränkungen im Infektionsschutzgesetz durch den Bund aus. Er reagiert damit auf eine Warnung von Kanzlerin Merkel.