Gesundheitsgipfel: Diskussion um "Corona-Herbststrategie"
Bund-Länder-Gesundheitsgipfel:Kontroversen um die "Corona-Herbststrategie"
22.06.2022 | 06:13
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Die Gesundheitsminister beraten über den Corona-Herbst. Patientenschützer, Lehrer und Mediziner sind uneinig bei den Themen Maskenpflicht, Bürgertest und Infektionsschutzgesetz.
Gesundheitsminister Lauterbach plant das Ende kostenloser Bürgertests.
Quelle: Sebastian Gollnow/dpa (Archiv)
Vor dem Treffen der Gesundheitsminister von Bund und Ländern, bei dem über eine "Corona-Herbststrategie" beraten werden soll, ist eine Debatte um eine erneute Maskenpflicht, anlasslose Corona-Bürgertests und das Infektionsschutzgesetz entfacht.
Der Vorsitzende der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, fordert eine Fortsetzung kostenloser Corona-Tests für alle. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach plant offenbar, diese zu beschränken. Brysch sagte der "Rheinischen Post":
Lauterbach muss seinen Vorschlag (...) an die Lebenswirklichkeit der Hilfsbedürftigen daheim anpassen.
Eugen Brysch, Vorsitzender Stiftung Patientenschutz
Brysch weiter: "Deshalb darf es keinen Kahlschlag bei den kostenlosen Bürgertests geben." Präventiv-Testungen auf Krankenhäuser und Pflegeheime zu begrenzen, schließe alleine 3,2 Millionen Pflegebedürftige, ihre Angehörigen und Pfleger aus.
Kassenärzte gegen kostenlose Bürgertests
Der Patientenschützer erklärte: "Die Menschen wollen sicher sein, möglichst niemanden in der Altenpflege anzustecken". Und:
Auch Schwerstkranke und deren Angehörige brauchen den kostenlosen Testschirm. Dazu gehören etwa Krebspatienten und lungenkranke Menschen
Eugen Brysch, Vorsitzender Stiftung Patientenschutz
Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) hat sich hingegen gegen anlasslose Corona-Bürgertests ausgesprochen. "Anlasslose Bürgertests sollten wir zeitnah stoppen, sie bringen sehr wenig und kosten sehr viel", sagte KBV-Chef Andreas Gassen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Ab September sei mit einem auf Omikron angepassten Corona-Impfstoff zu rechnen, sagt Gesundheitsminister Lauterbach. Die aktuelle Variante BA.5 sei aber nicht besonders gefährlich.09.06.2022 | 8:11 min
Kinder- und Jugendärzte: Keine Schulschließungen
In der Debatte um Änderungen am Infektionsschutzgesetz dringen die Kinder- und Jugendärzte in Deutschland darauf, Kitas und Schulen unbedingt offen zu halten - auch bei steigenden Infektionszahlen.
Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, sagte der "Rheinischen Post":
Bei allen Überlegungen (...) sollte eins unumstößlich feststehen: Dass es keine allgemeinen Kita- und Schulschließungen mehr geben wird. Auch nicht in Hotspots.
Thomas Fischbach, Berufsverband Kinder- und Jugendärzte
Der Bundesvorsitzende des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, hat die Bundesregierung aufgefordert, das Infektionsschutzgesetz noch vor der Sommerpause zu ändern. "Wie schwierig oder auch unproblematisch die Infektionslage im Herbst sein wird, weiß derzeit niemand", sagte er der "Rheinischen Post". Und weiter:
Umso wichtiger ist es, dass (...) das Infektionsschutzgesetz so nachgebessert und verlängert wird, dass die Schulen bei Bedarf in der Lage sind, zu reagieren.
Heinz-Peter Meidinger, Deutscher Lehrerverband
Meidinger nannte als Beispiel die Wiedereinführung der Maskenpflicht im Klassenzimmer: "Zur Wirksamkeit von Masken, auch an Schulen, gibt es Studien ohne Ende", sagte der Lehrerverbandschef.
Fischbach: Impfquote muss erhöht werden
Thomas Fischbach vom Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte sprach sich gegen anlasslose Massentests und eine allgemeine Maskenpflicht in den Schulen aus: "Wer Symptome hat, sollte getestet werden. Eine Maskenpflicht im Unterricht sollte es nur in Hotspots geben."
Ganz wichtig bleibe aber das Impfen, fügte der Verbandschef hinzu: "Da brauchen wir eine höhere Quote." Fischbach forderte den Bundestag auf, einen neuen Anlauf für eine allgemeine Impfpflicht zu nehmen.
Virologe gegen Wiedereinführung der Maskenpflicht
Auch der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit von der Universität Hamburg kritisierte Forderungen nach einer Wiedereinführung der Maskenpflicht.
Schmidt-Chanasit sprach sich dafür aus, die Evaluation der Corona-Maßnahmen abzuwarten. Dem RND sagte er: "Sollte die Homeoffice-Regelung viel effizienter sein als eine Maskenpflicht, hätte im Herbst Homeoffice die höhere Priorität."
Laut RKI könnte der Infektionsdruck durch die Omikron-Varianten BA.4 und BA.5 im Sommer deutlich zunehmen. Wie hoch das Ansteckungsrisiko ist - und wer wie gut geschützt ist.