Mit sinkenden Corona-Zahlen verliert die bis dato wichtigste Größe zur Bewertung der Pandemie an Bedeutung: die Inzidenz. Welcher Maßstab folgt? Dazu Bayerns Gesundheitsminister.
Mit steigender Impfquote und sinkender Inzidenz ging die Verantwortung für die Pandemiebekämpfung zum Sommerbeginn zurück zu den Landesregierungen, insbesondere den Landesgesundheitsministern. Der Inzidenzwert, so scheint es, verliert als Maßstab an Gewicht.
Im ZDF heute journal erklärt der bayerische Gesundheitsminister und Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, Klaus Holetschek, …
… welche Größe zukünftig als Entscheidungsgrundlage dient
Der bayerische Gesundheitsminister ist sich sicher: "Die Inzidenz wird bleiben", allerdings wird sie zukünftig mehr die Rolle des "Vorwarnsystems" einnehmen, statt alleinige Leitziffer zu sein.
Deutlich stärker an Bedeutung sollen demnächst die Hospitalisierungsrate, insbesondere die Kapazitäten an Krankenhausbetten, und die Zahl der Menschen, die in Deutschland geimpft sind, gewinnen, so Holetschek.
Mit welcher Gewichtung diese drei Größen (Inzidenz, Hospitalisierungsrate und Impfquote) zu einer neuen Kennziffer verrechnet werden könnten, die als Grundlage von politischen Entscheidungen dient, lässt Holetschek offen. Von der Notwendigkeit einer solchen neuen Kennziffer ist er aber überzeugt.
Wie dieser Faktor konkret aussehen könne? Da sei "das Robert-Koch-Institut gefordert".
… ob Bayern in Corona-Fragen vorsichtiger entscheidet als NRW
"Bei uns ist das Thema der Umsicht und Vorsicht von Anfang an ein wichtiger Maßstab gewesen und dem wollen wir weiter folgen", verdeutlicht der bayerische Gesundheitsminister. Die Freiheiten, die bei bestimmten Inzidenzen in anderen Bundesländern großzügiger ausfallen als in Bayern, zeigen, dass die "Grenzen der Vorsicht unterschiedlich sind". Holetschek betont:
In Bayern würde unter anderem versucht, durch niedrigschwelliger Impfangebote in Zusammenarbeit mit dem Hotel- und Gastrogewerbe die Impfquote zu steigern, um diesem Anspruch gerecht zu werden.
… inwiefern Aufrischungsimpfungen in Europa vertretbar sind, während in Ländern wie Afrika der Impfstoff zur Erstimpfung fehlt?
Es sei "richtig und wichtig", dass sich "Europa für Impfstoffdosen in der Dritten Welt und in anderen Bereichen" engagiert, auch in Afrika. Auf der anderen Seite hätten "wir natürlich eine Verantwortung, auch für die vulnerablen Gruppen, und müssen ständig überprüfen: Lässt die Immunantwort nach? Brauchen wir neue Impfungen? Das ist genau dieser Grad der Abwägung, die wir immer wieder treffen müssen", verdeutlicht der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz.
Davon abgesehen sei wichtig, dass kein Impfstoff bei uns verworfen werde.
Das Interview führte Claus Kleber.
- Welche Rolle spielt die Inzidenz noch?
Mit immer mehr Geimpften verändert sich der Zusammenhang zwischen Infektionszahlen und der Belastung auf das Gesundheitssystem. Damit wird auch die 7-Tage-Inzidenz weniger wichtig.