Keine Isolationspflicht mehr, selbst für Corona-Infizierte, und das Ende von Gratis-Tests hat der britische Premier Johnson angekündigt. Die Opposition kritisiert den Plan.
Als eine Krankheit wie jede andere, so will Boris Johnson künftig Corona betrachten. Der Premier trat heute vor das Parlament und kündigte das Ende aller Pandemie-Maßnahmen in England an. "Lasst uns lernen, mit dem Virus zu leben und uns und andere ohne gesetzliche Anordnungen zu schützen", so der britische Premier.
Isolationspflicht endet am Donnerstag
Ab Donnerstag müssen selbst Infizierte sich nicht mehr isolieren. Wer krank sei, möge bitte zu Hause bleiben, so wie er es bei einer Erkältung auch tun würde. Gratis-Schnelltests werden abgeschafft, sie hätten den Staat allein im Januar 2,4 Milliarden Euro gekostet. Das Land müsse lernen, mit Covid zu leben, hat der Premier beschlossen.
Vor allem Dank der erfolgreichen Impfkampagne - 71 Prozent der erwachsenen Briten haben einen Booster - sei es möglich, den Bürgern ihre Eigenverantwortung zurückzugeben. Sie sollten nun selbst entscheiden, wie sie sich schützen wollen, so der Regierungschef, der sich seit Beginn der Pandemie schwer damit tat, Vorsichtsmaßnahmen zu erlassen.
Genesungswünsche an Corona-positive Queen
Pikanterweise musste Johnson zu Beginn seines Auftritts im Parlament erstmal der Queen Genesungswünsche übermitteln. Die 95-Jährige wurde am Wochenende positiv auf Covid getestet, sie zeigt bislang nur milde Symptome.
Kritiker der Regierung aber bezogen sich auf ihren Fall und argumentierten, wenn selbst die besonders gut abgeschirmte Monarchin sich nicht schützen könne, sei es für weniger gut gestellte Gefährdete unmöglich und daher unverantwortlich gefährlich, die restliche Bevölkerung von allen Verpflichtungen zu befreien.
Opposition kritisiert Abschaffung der Gratis-Tests
Die Opposition kritisierte besonders das Ende der kostenlosen Tests als Übergang zum Blindflug. Mitten in rasant steigenden Energie- und Lebensmittelkosten könnten sich ärmere Bürger weniger denn je leisten, für Tests zu zahlen, und würden die Krankheit infolgedessen in ihre Familien tragen.
Ebenfalls unvorsichtig und unfair sei es, dass die finanzielle Unterstützung von Infizierten in Isolation zurückgenommen werde. Der Labour-Vorsitzende Keir Starmer sagte, der Ansatz der Regierung "mit Covid leben" hieße nichts anderes, als "die Krankheit zu ignorieren". Es sei, als liege man im Fußball 2 zu 1 vorn und wechsle seinen besten Verteidiger aus.
Der Vorsitzende der schottischen Nationalpartei, Ian Blackford, nannte die Ankündigung "halbgar", lediglich ein politisches Manöver des Premiers. Auf "Partygate" anspielend, hielt Blackford fest, Johnson schaffe Regeln ab, an die er sich selbst nicht gehalten habe, nur um sich bei seinen eigenen Abgeordneten wieder beliebt zu machen.
Johnson unter Druck seiner Partei
Tatsächlich steht Johnson unter massivem Druck der Konservativen, die mehrheitlich die Aufhebung der Restriktionen fordern und auch heute im Parlament immer wieder der Forderung Ausdruck verliehen, dass der Premier "nie wieder" einen Lockdown verhängen werde.
Während die Opposition nach den wissenschaftlichen Grundlagen des Regierungsplans fragte und keine Antwort erhielt, unterstrich der Premier sein Vertrauen in die Medizin. Medikamente zur Behandlung seien besser geworden, auch sollen über 75-Jährige und gefährdete Bürger eine vierte Impfung bekommen.
160.000 Menschen an oder mit Covid gestorben
Einmal mehr pries Johnson die britische Impfkampagne. Großbritannien habe als erstes Land einen zugelassenen Impfstoff verteilt und sei nun das erste Land, das die Pandemie überwunden habe. Es sei das "freieste Land Europas" und verzeichne den größten wirtschaftlichen Aufschwung der G7-Länder.
Was Johnson nicht erwähnte, ist, dass in Großbritannien 160.000 Menschen an oder mit Covid gestorben sind, gegenüber etwa Deutschland, wo die Pandemie trotz einer 20 Millionen Menschen größeren Bevölkerung fast 40.000 weniger Opfer kostete. Und dass der wirtschaftliche Aufschwung in Großbritannien nur so groß ist, weil der Absturz besonders tief war.