Es ist das letzte Wochenende vor dem Lockdown. Unser Autor würde gerne feiern gehen. Dass das nicht geht, nervt ihn - ebenso wie die überzogene Kritik an seiner Generation.
Der monotone Techno-Beat wummert. Acht Grad, es regnet. Die Party, auf der ich tanze, findet draußen statt - wegen Corona. In meiner Maske rieche ich meine eigene Fahne. In 14 Minuten ist die Party zu Ende, 23 Uhr, Sperrstunde. Hätte ich vor einem Jahr eine Dystopie schreiben wollen, ich hätte es mir nicht besser ausdenken können.
An diesem Abend in einem Park in Berlin-Lichtenberg sehe ich mich schon auf der Titelseite der FAZ. Überschrift: "PARTY-PÖBEL".
Meine Generation als Sündenbock
Allzu oft wird meine Generation übergangen. Unsere Bedürfnisse, Wünsche und Sorgen - abgetan als "Meckern auf hohem Niveau" oder "First-World Problems". Viele verstehen nicht; es geht hier nicht um eine abgesagte Clubnacht, oder einen verschobenen Barabend, es geht um verlorene Jugendjahre, die wir nie wieder aufholen werden. Und es ist nun mal was anderes, ob man diese Jahre mit 19 verliert oder mit 53.
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Das halten Jugendliche von den Corona-Regeln
Dazu wurden viele Jugendliche befragt.
Feiern ist unsere Freiheit
Natürlich ist Feiern kein Grundbedürfnis, aber es steht für die Freiheit, die Corona meiner Generation nimmt. Und trauern wir Clubabenden nach, dann sind es nicht die Clubabende, denen wir nachtrauern, sondern die verpassten Erfahrungen, Erlebnisse und Geschichten. Die uns niemand zurückgibt.
Die Corona-Pandemie schränkt das Leben von Jugendlichen massiv ein. Was bedeutet es für Teenager, wenn sie ihre Freunde nicht mehr treffen können?
Wenn ab Montag die neuen Kontaktbeschränkungen gelten, dann trifft das nicht "die Jugendlichen" oder "die jungen Menschen". Es trifft Lena, 21, die zum Studieren nach Leipzig gezogen ist, aber ihre Kommilitonen nur aus Zoom-Meetings kennt. Es trifft Vincent, 19, der immer Fußballprofi werden wollte und jetzt alleine zu Hause sitzt, weil seine Mannschaft nicht trainieren darf. Es trifft Lotte, 22, die ihr Auslandsjahr in Edinburgh absagen musste, auf das sie seit Jahren spart.
Wir sind nicht schuld
Genau deshalb müsst Ihr aufhören, meine Generation als Sündenbock zu benutzen. Anders, als es manch ein Politiker, eine Zeitung oder Ü50-Jähriger behauptet, sind wir nicht schuld an nicht-zurück-verfolgbaren Ansteckungen, nicht schuld an explodierenden Infektionszahlen und auch nicht schuld an der Zweiten Welle.
Klimawandel, Party und Corona
Und das, obwohl Ihr beim Klimawandel nicht auf uns eingeht. Seit Jahren gehen wir auf die Straße und fordern Eure Solidarität für unsere Zukunft und nichts passiert. Und jetzt geht es einmal um Eure Zukunft und von uns wird das erwartet, was wir seit Jahren von Euch nicht bekommen. Solidarität.
Schlecht gealtert
Ja, auch für junge Menschen kann Corona gefährlich sein. Auch hier gibt es schwere Verläufe, Spätfolgen oder im schlimmsten Fall sogar Corona-Tote. Fakt ist aber auch: Wären alle Menschen auf der Welt unter 30, wäre Corona kein Problem.
Für Euch bleiben wir trotzdem zu Hause. Aber wir erwarten von Euch, dass Ihr unsere Bedürfnisse, Wünsche und Sorgen ernst nehmt. Vergesst uns nicht. Hört uns zu. Und versucht, uns zu verstehen – denkt an Eure Jugendjahre zurück. Genau diese Jahre werden uns für immer genommen.
Nils Hagemann, geboren 2001 in Berlin, Journalist und Volontär an der Electronic Media School - zur Zeit schreibt er für ZDFheute. Dem Autor auf Twitter folgen: Nils_hgm