Rekord-Inzidenz und Karnevalsbeginn fielen in Köln aufeinander. Für Minister Spahn und Experten kann es so nicht weitergehen. Bleiben jetzt nur 2G-Plus oder Veranstaltungsabsagen?
Nie wurden innerhalb eines Tages mehr Corona-Infektionen nachgewiesen als am Donnerstag. Und doch feierten zeitgleich mehrere Tausend Menschen in Köln eng gedrängt den Start der Karneval-Saison.
Für alle Teilnehmer galten 2G-Regeln. Die Kritik am närrischen Treiben ist dennoch deutlich:
Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) machte am Freitag deutlich, dass es mit Großveranstaltungen so nicht mehr weitergehen könne. "Deshalb wäre es auch unserer Sicht konsequent, wenn wir öffentliche Veranstaltungen erstens nur für Geimpfte und Genesene ermöglichen und zweitens, wenn diese zusätzlich einen aktuellen Test vorweisen: 2G-Plus", sagte Spahn in Berlin.
Ist die Aufregung über Kölner Karnevalisten angemessen?
Etwa 11.000 Karten wurden für die große Veranstaltung am Kölner Heumarkt verkauft. Alle Teilnehmer mussten geimpft oder genesen sein. Einen gültigen Corona-Test musste man jedoch nicht vorlegen. War das unverantwortlich?
In Fußballstadien dürfen seit mehreren Monaten noch deutlich größere Menschenmengen zusammentreffen. Beim BVB waren es Mitte Oktober über 60.000 Zuschauer, beim Derby Köln gegen Leverkusen am 22. Oktober 50.000 Zuschauer. Die Empörung darüber blieb vergleichsweise gering.
Auch Clubs und Bars haben mit unterschiedlichen Zugangsbedingungen wieder geöffnet. Das Gedränge dort ist einfacher auszublenden, es findet nicht am helllichten Tag in einer Fußgängerzone statt. Also alles nur halb so wild in Köln?
In Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen wird heute die närrische fünfte Jahreszeit begrüßt. Unter strengen Auflagen finden Feiern im Freien statt. Auch Kostümhändler sind erleichtert.
Wie gefährlich war die Karneval-Party tatsächlich?
Prof. Thorsten Lehr leitet das Forschungsprojekt Covid-19 Simulator an der Universität des Saarlandes. Sein Team berechnet, wie sich verschiedene Corona-Maßnahmen auf Fallzahlen und Klinikauslastung auswirken könnten.
Die Kölner Feierei bezeichnet er gegenüber ZDFheute als "aus infektiologischer Sicht beunruhigend". "Die AHA-Regeln werden durch die Situation und auch dem Alkoholpegel nicht eingehalten. Das ist an der Luft und unter 2G sicherlich weniger schlimm als eine 3G-Regelung oder eine Veranstaltung in Räumen", erklärt Lehr.
Gedränge, Alkohol, Lautstärke, keine Maske – das alles könne Ausstoß und Einatmen von Aerosolen begünstigen.
Wie gut die 2G-Regeln vor Ort kontrolliert wurden, könne er nicht beurteilen. "Ich gehe aber davon aus, dass sich gestern auch einige Nichtgeimpfte eingeschlichen haben", sagt Lehr. Die hohe Inzidenz macht Impfdurchbrüche wahrscheinlicher und auch mit Impfung kann man andere anstecken. Auch wenn das Risiko einer schweren Erkrankung deutlich reduziert ist.
Wäre 2G-Plus eine Lösung für Großveranstaltungen?
Wie können Großveranstaltungen noch sicher stattfinden? Der 2G-Plus-Vorschlag von Minister Spahn ist für Lehr keine krisenfeste Lösung:
Sollte sich der Kölner Karneval-Auftakt glücklicherweise nicht als Superspreader-Event herausstellen, könnte die Pandemiebekämpfung dennoch Schaden genommen haben. "Letztendlich signalisieren die Bilder aus Köln eine Sorglosigkeit, die in der aktuellen Situation absolut unangemessen ist", sagt Lehr.
Lehr fürchtet, dass die Absage von Großveranstaltungen und Weihnachtsmärkten in diesem Winter nur ein Anfang sein dürfte, um die Situation wieder in den Griff zu bekommen. Auch der Leiter des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, sagte am Freitag: "Am besten wäre es, wenn man bestimmte Großveranstaltungen absagen würde." In Bayern haben in dieser Woche erste Gemeinden und Landkreise ihre Weihnachtsmärkte ganz auf Eis gelegt.
"Jeder Weihnachtsmarkt, der nicht stattfindet, ist ein guter Weihnachtsmarkt", machte auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach bei ZDFheute live deutlich.
- Spahn: "Das reicht so alles nicht"
"Die Situation ist ernst", sagt Gesundheitsminister Spahn. "Es ist fünf nach zwölf", RKI-Chef Wieler. Die vierte Welle rollt bedrohlich. Kostenlose Tests kommen wieder, dazu 2G+.