Familien haben in der Pandemie keine Lobby, viele Kinder leiden sichtbar unter den Corona-Folgen. Ärzt*innen fordern nun, Eltern von Kleinstkindern müssen priorisiert werden.
"Wir sind privilegiert, wir haben noch unsere Jobs und teilen uns mit der Kinderbetreuung irgendwie auf" - das hört man oft von Eltern in der Kinderarztpraxis von Dr. Silke Weixler und Dr. Kai Sostmann in Berlin. Und trotzdem leiden viele Familien auch hier unter dem Corona-Alltag.
Seelische Gesundheit in Gefahr
Weixler selbst hat ihren Sohn einmal die Woche mit dabei in der Praxis. E-Learning in der Tee-Küche, in die Schule kann der Elfjährige aktuell nur im Wechselunterricht gehen. Immer dienstags gibt es einen Betreuungsengpass. Auch weil Weixler und Sostmann beide selbst Eltern sind, machen sie sich große Sorgen um die Gesundheit der Familien, besonders auch die seelische Gesundheit.
Silke Weixlers erste Frage an die Eltern lautet immer: Wie geht es Ihnen? Sie bemerkt, dass vielen langsam die Puste ausgehe.
Andreas Rosen, der mit seinem zehnjährigen Milan in die Sprechstunde gekommen ist, ist aktuell alleinerziehend mit drei Kindern. Im Schnitt schläft er nur noch fünf Stunden pro Nacht, die restliche Zeit geht für Job und Kinderbetreuung drauf. "Gerade beim Homeschooling fehlt mir die Geduld", gibt er zu.
"Mutter oder Vater sein ist ein schlecht anerkannter Beruf, aber gesellschaftlich ein wichtiger", sagt Kinderarzt Dr. Kai Sostmann aus Berlin. Deshalb fordert er Impfungen für Eltern vor allem von Kleinkindern.
Viele Herausforderungen für Familien
Die Herausforderungen und Probleme für Familien sind multikausal, zum einen sind da die organisatorischen Hürden und die zermürbende fehlende Perspektive, zum anderen die andauernde Angst, dass ein Familienmitglied und somit womöglich die gesamte Familie erkrankt.
Kinder und Babys gelten zwar als weniger gefährdet für einen schweren Corona-Verlauf, doch können sie die Eltern anstecken, die dann im Zweifel heftiger reagieren. Fast noch größer ist für viele aber die Angst, im Falle einer Erkrankung nicht mehr selbst für die Kinder sorgen zu können.
So fordern Sostmann und Weixler auch, Eltern endlich zu priorisieren - insbesondere Eltern von Kleinstkindern, die zu 100 Prozent von den Eltern abhängig sind und ein schwächeres Immunsystem haben. Nur so könne die ganze Familie geschützt werden.
Eltern würden so in der aktuellen Debatte häufig vergessen.
Der Autorin auf Twitter folgen: @Alica_Jung
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