Der Kampf gegen Corona treibt seltsame Blüten. Keiner weiß mehr, wer als geboostert gilt. Mal haben Labore genug Kapazitäten, jetzt plötzlich nicht mehr. Was für ein Durcheinander.
Preisfrage: Wissen Sie, ob Sie geboostert sind? Und wenn Sie glauben, Sie sind es, sind Sie es auch noch, wenn Sie ein anderes Bundesland besuchen? Zum Beispiel ein Restaurant, eine Theateraufführung? Herzlichen Glückwunsch! Sie gehören zu den wenigen, die noch durchblicken.
Das schaffen nicht alle. In mancher Arztpraxis kann diese Frage nach dem vollständigen Corona-Impfschutz nicht beantwortet werden. Manche im Robert-Koch-Institut oder in den Gesundheitsämtern scheitern auch.
Alle haben eine stichhaltige Begründung: Ob jemand als geboostert gilt oder nicht und was damit im täglichen Leben erlaubt ist oder nicht, ist Ländersache.
Ach, Sie dachten, das ist eine medizinische Frage? Knapp daneben.
Fast überall ist alles anders
Das führt zu einigem Durcheinander. Beispiel Impfung mit dem Impfstoff Johnson&Johnson: Nach einer Auffrischung mit Biontech oder Moderna gilt man in Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Thüringen als geboostert.
In Schleswig-Holstein und Bayern reicht das nicht. Dort wird eine zweite mRNA-Impfung verlangt oder ein Test.
- Wann gelte ich als geboostert?
In vielen Bereichen gilt nun 2G Plus. Geimpfte oder Genesene müssen zusätzlich getestet sein - außer: Geboosterte. Die Bundesländer definieren "geboostert" aber unterschiedlich.
Auch interessant wird es, wenn man sich trotz zweimaliger Impfung mit dem Coronavirus infiziert. Dann gilt man in Bayern, Hamburg und Nordrhein-Westfalen als geboostert. In Baden-Württemberg, Hessen, Saarland, und Thüringen aber leider nicht.
So in etwa. Vielleicht auch anders. Alles fließt.
Nichts gegen den Föderalismus
Das ist übrigens kein Plädoyer gegen den Föderalismus. Das Infektionsgeschehen ist so unterschiedlich, dass es seit Beginn der Pandemie gute Gründe gibt, in den Ländern auch unterschiedlich zu reagieren. Schleswig-Holstein stand in der Delta-Welle gut da, bei Omikron nicht. Bei Sachsen ist es genau umgekehrt.
Das ist aber ein Plädoyer für etwas mehr Verstand, Abstimmung zwischen den Bundesländern, weniger parteipolitische Auslegung von wissenschaftlichen Erkenntnissen, weniger Blödsinn in einer Situation, die an sich schon schwierig genug ist.
Haseloff will mehr reden
Reiner Haseloff, Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt, hat am Freitag im Bundesrat eine bessere Kommunikationsstrategie in der Corona-Politik angemahnt. Alle Maßnahmen müssten so sein, "dass es die Menschen noch verstehen", sagte Haseloff. "Wir brauchen Vertrauen." In Regelungen, in die Impfstoffe, in die Festlegungen, was wann wo gilt.
Dieses Vertrauen ist erheblich angekratzt, bei einigen sicher schon längst verspielt. Mal abgesehen davon, dass Haseloff es selbst nicht gerade steigert, wenn er sich mit Bayern als einziger gegen die 2G-plus-Regel stemmt. Das Booster-Wirrwarr ist ebenso wenig hilfreich. Und es gibt viele weitere Beispiele.
Plötzlich Prioliste beim PCR-Test
Thema PCR-Tests: Noch am 5. Januar, also vor knapp zehn Tagen, gab es Bedenken der Bundesländer, die verkürzte Quarantänezeiten könnten Engpässe in den Laboren verursachen. Kein Problem, hieß es aus dem Bundesgesundheitsministerium.
Heute sagt Minister Karl Lauterbach: Medizinisches Personal soll bevorzugt behandelt werden, wenn sie sich mit einem PCR-Test freitesten müssen. Eben weil die Kapazitäten in den Laboren "ausgereizt oder überlastet" seien.
Die Maßnahmen gegen Omikron würden wirken, die Verdopplung der Fälle sei etwas gestreckt, so Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Sehen Sie die gesamte Pressekonferenz hier.
Man könnte beim Impfen weitermachen. Statt ständig zu beklagen, dass die Impfquote nicht erreicht wird, könnte man mal aufhören, mit der allgemeinen Impfpflicht zu wedeln. Stattdessen könnte man sich darum kümmern, dass die drei Millionen Ungeimpften über 60 Jahre gezielt angesprochen werden.
Und man könnte stattdessen die Aufklärungsgespräche nicht nur den niedergelassenen Ärzten überlassen, auf die ohnehin in der Omikron-Welle mehr Arbeit zukommt. Weil die Infizierten mit den - zum Glück! - milderen Verläufen eher in den Praxen als auf der Intensivstation landen.
Corona: Schwere Zeiten für Kommunikation
Es ist, sagte der Berliner Virologe Christian Drosten heute, "eine ganz schwierige Zeit zu kommunizieren". Vieles werde missverstanden. Viele Botschaften würden nicht gut genug erklärt. Viele Medien würden Corona relativieren, dadurch erschienen Maßnahmen wie etwa eine Impfpflicht zu hart.
Da hat er recht. Es sind schwere Zeiten. Und Informationen sollten immer stimmen und nie nach Interessenlage verbogen werden. Wenn die Union heute Lauterbach und umgekehrt Lauterbach die Union bittet, wissenschaftliche Erkenntnisse nicht (mehr) nach parteipolitischen Interessen auszuschlachten, dann sind wir genau da angekommen. Beim Blödsinn.
Das hat diese wirklich schlimme Pandemie mit mehr als 115.000 Toten in Deutschland, die viel Leid, Schmerz und Langzeitfolgen gebracht hat, nicht verdient.