Die immer radikaler auftretenden Corona-Demonstranten bereiten der Politik große Sorgen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann sieht ausgerechnet die Impfpflicht als Ausweg.
Es gibt Menschen, die der Corona-Impfung gegenüber skeptisch sind oder sie ablehnen. Und es gibt Rechtsextremisten, die sich zur Zeit unter die Impfskeptiker mischen.
Während die vierte Corona-Welle tobt, verschärfen sich die Corona-Proteste, insbesondere in Sachsen und Thüringen. Bei Markus Lanz bezogen Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann und der Thüringer Innenminister Georg Maier Stellung zur zunehmenden Radikalisierung der Corona-Proteste.
Georg Maier, Thüringens Innenminister, konstatierte am Dienstagabend bei Markus Lanz mit Blick auf die anhaltende Impfdebatte: "Das Thema Impfen ist mittlerweile nicht mehr nur ein medizinisches Thema, sondern es ist ein politisches geworden. Es ist aufgeladen. Es ist eines, das gerade in Ostdeutschland ein Instrument des Widerstands ist."
Radikalisierung der Corona-Demonstranten?
Das sei zwar "widersinnig", so Maier, es werde aber "so gesehen". Auf diese Weise ließen sich zuletzt Corona-Demos mobilisieren, bei denen es auch zu Ausschreitungen kam. In Greiz, einer Stadt in Thüringen an der Grenze zu Sachsen, hatten am 4. Dezember 1.500 Menschen bei einem sogenannten "Corona-Spaziergang" demonstriert. "Die schiere Größe hat uns überrascht", gestand Innenminister Maier ein.
Es sei bekannt, dass Rechtsextremisten zu den Initiatoren gehörten. "Die rufen auf und ganz normale Familienväter und -mütter kommen?", fragte Markus Lanz. Das sei das, was man als Entgrenzung bezeichne, so Maier.
Nicht alle "in einen Topf" schmeißen
Viele Menschen würden jetzt auf die Straße gehen und sich nicht darum kümmern, "dass sie das zusammen mit Rechtsextremisten tun", so Maier. "Das Motiv ist: Wir zeigen es euch mal da oben. Wir machen jetzt hier mal Widerstand."
Winfried Kretschmann, Baden-Württembergs Ministerpräsident, war in die Runde zugeschaltet und warnte davor, nicht all diese Leute "in einen Topf" zu schmeißen. Er unterschied drei Gruppen: "Das eine sind Rechtsextreme und radikale Gegner der Demokratie. Die zweite Gruppe, die sind verblendet. Die haben sich in irgendeinen Tunnel begeben, glauben an Verschwörungsmythen. Und die dritte Gruppe, Impfskeptiker, sind ängstliche Menschen, die diffuse Ängste haben, die zwar nicht rational, aber da sind."
Kretschmann: Menschen "nicht aufgeben"
Kretschmann appellierte: "Wir dürfen als demokratischer Staat niemals Menschen aufgeben." Eine Impfskeptikerin, die sich aufgrund diffuser Ängste nicht impfen lasse, bleibe eine Nachbarin, bleibe eine Bürgerin dieses Staates, so Kretschmann. "Nur dort, wo es wirklich extremistisch wird und gegen den Staat gerichtet ist, müssen wir allerdings Härte zeigen."
Als Ausweg aus der sich zuspitzenden Lage nannte Kretschmann ausgerechnet die Impfpflicht.
Die Bürger müssten sich dann gegenseitig "keine moralischen Vorwürfe mehr machen", so der baden-württembergische Ministerpräsident.
Allgemeine Impfpflicht?
Er konstatierte: "Wenn [der Staat durch eine allgemeine Impfpflicht] ein schnelles Ende der Pandemie erreicht und den Konflikt an sich zieht, kann er die Gesellschaft befrieden." Auch Thüringens Innenminister Maier äußerte sich positiv zur allgemeinen Impfpflicht: "Um die Quote wirklich in den Bereich zu bekommen – zum Beispiel auch in Thüringen – wo sie hinmuss, bleibt uns nichts Anderes übrig."
Die Frage, ob eine Impfpflicht die widerborstige Haltung der Impfunwilligen verstärke, beantwortete Maier diplomatisch: "Die übergroße Mehrheit, auch in Thüringen, findet es gut, sich impfen zu lassen und findet auch die Impfpflicht gut. Es ist eine kleine, aber laute Minderheit, die sich immer stärker radikalisiert." Das sei das Problem, mit dem er als Innenminister umgehen müsse, so Maier. Er wolle nicht, dass Impfgegner so radikal werden, dass sie Gewalt anwenden. "Das ist die Herausforderung."