Gesundheitsminister Lauterbach sieht Anregungen im Corona-Gutachten des Sachverständigenrates. An der Datenlage werde gearbeitet - man dürfe aber "auch nicht alles zerreden".
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat im ZDF heute journal Stellung bezogen zum Corona-Gutachten des Sachverständigenrats. Die Kommission zur Evaluierung der Corona-Maßnahmen hatte eine gemischte Bilanz gezogen. Ein zentrales Problem sei gewesen, dass es "nicht gelang, seit dem Beginn der Pandemie eine ausreichende, stringente und begleitende Datenerhebung zu etablieren".
Maßnahmen wie etwa das Maskentragen oder 2G-Regeln hätten eine Wirkung, diese sei aber begrenzt, heißt es in dem Bericht. Hinter vielen bekannten Auflagen setzt der Ausschuss große Fragezeichen.
Lauterbach räumt ein, einen "frühen Lockdown" würde man nicht wiederholen. Viele andere Maßnahmen seien aber wirksam gewesen. An der Datenlage werde gearbeitet, sagt der Gesundheitsminister. Und "so schlecht" sei sie auch nicht gewesen. Er blicke nach vorn und verhandle bereits mit Justizminister Buschmann über einen neuen Maßnahmenkatalog.
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Das sagt Lauterbach ...
… zur Frage nach Fehlern, und was er aus dem Bericht für die Pandemiepolitik lerne
"Ich weiß nicht, ob man von Fehlern hier reden kann, aber es gibt Anregungen. Offenbar war es so, dass am Beginn der Pandemie die Datenlage nicht gut genug gewesen ist. Das verändern wir ja gerade durch den Pandemierat, den wir jetzt aufbauen, wo wir schneller die Daten bekommen werden aus den Krankenhäusern."
Wie viele Leute sind infiziert? Wer ist auf der Intensivstation? Wie viele freie Betten haben wir noch? Das seien Dinge, die verändert würden, sagte Lauterbach. "Aber die hätten wir auch verändert, ohne das Gutachten, weil wir diese Probleme ja kannten."
… zur Frage, ob Maßnahmen wie Lockdowns, die laut Gutachten nur anfangs wirksam waren, vom Tisch müssten
"Wir machen jetzt gerade einen neuen Maßnahmenkatalog. Die Verhandlungen von Marco Buschmann, dem Bundesjustizminister, und mir haben heute schon begonnen. Da will ich nicht vorweggreifen, worauf wir uns einigen." Klar sei, dass Lockdown-Regeln weltweit wenig gebracht hätten nach dem Beginn der Pandemie.
Aber viele andere Maßnahmen, die im Bericht genannt werden, seien wirksam gewesen. "Da ist ja nur die Regel die, dass sie am Anfang wirksamer sind als am Ende," so Lauterbach. Aber wenn jetzt wieder stark ansteigende Fallzahlen zu beobachten seien, könne es sein, dass die ein oder andere Maßnahme wieder sinnvoll sei.
Er und Buschmann würden vertraulich verhandeln. "Ich glaube wir werden schnell sein," sagt Lauterbach. "Wir werden in den nächsten Wochen ein gutes Infektionsschutzgesetz vorbereiten, und das brauchen die Bürger auch. Die Bürger erwarten zurecht, dass wir im Herbst gut vorbereitet sind. Denn wir sind vor schweren Wellen im Herbst und im Winter."
… zur Frage, wie man Verständnis für Maßnahmen erwarten wolle, die als nicht oder kaum wirksam bezeichnet werden
"Es sind ja eigentlich ganz wenige Maßnahmen hier als kaum wirksam beschrieben worden, zum Beispiel der frühe Lockdown. Das ist klar, das würden wir nicht wiederholen.“ Aber sonst sei der Maßnahmenkatalog breit.
Eine Schwäche des Gutachtens sei, dass viele Maßnahmen nach dem Motto bewertet worden seien: Sie helfen, aber wir wissen nicht, wie stark. "Ich fand das Gutachten spannend", sagt Lauterbach, "aber auf der anderen Seite ist es auch nur ein Baustein." Hinzu kämen etwa internationale Literatur und der Expertenrat, um die Maßnahmen zu begründen.
… zu der Forderung aus der FDP, RKI-Chef Wieler aufgrund der mangelnden Datenbasis zu entlassen
"Das wird nicht stattfinden, Lothar Wieler hat mein volles Vertrauen. Und so schlecht war die Datenlage ja auch gar nicht." Man habe über die Inzidenzen "immer relativ, also gut Bescheid gewusst. Man darf auch nicht alles zerreden." Deutschland sei besser durch die Pandemie gekommen, als andere europäische Länder.
- Corona-Maßnahmen nur teilweise wirksam
Wie der nächsten Corona-Welle begegnen? Die Expertenkommission zur Bewertung der bisherigen Maßnahmen gibt der Politik wenig konkrete Empfehlungen. Die Bilanz fällt gemischt aus.
... zu dem Vorwurf, es habe keine ausreichende, stringente Datenerhebung gegeben
"Was es nicht gegeben hat, ist beispielsweise eine schnelle Berichterstattung aus den Kliniken: Wie viele Leute sind jetzt mit Covid in Behandlung, wie viele Betten haben wir noch? Das führe ich jetzt ein." Das werde im September, spätestens Oktober zur Verfügung stehen, "tagesgenau", so Lauterbach.
Im Kabinett sei beschlossen worden, das Abwassermonitoring zu machen. "Wir machen eine Erhebung in den Kliniken (...), dass wir wissen, wer stirbt eigentlich durch Covid oder wer kommt einfach mit Covid in die Klinik?“ All das werde aufgegriffen.
Es seien zum Teil Kritikpunkte vorgetragen worden, die den Anfang der Pandemie besprechen, sagt Lauterbach und fragt: "Was nützt dieser Blick nach hinten? Ich blicke nach vorn." Der Pandemieradar werde im Herbst gute Dienste tun.
- Variante BA.5: Wer ist wie gut geschützt?
Laut RKI könnte der Infektionsdruck durch die Omikron-Varianten BA.4 und BA.5 im Sommer deutlich zunehmen. Wie hoch das Ansteckungsrisiko ist - und wer wie gut geschützt ist.