Vierte Corona-Impfung für Jüngere? Was Lauterbach gesagt hat
Faktencheck
Corona-Impfungen für Jüngere:Lauterbachs Impfempfehlungen: Was stimmt?
von Julia Klaus und Dominik Rzepka
10.08.2022 | 16:32
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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sagte im ZDF, er habe Jüngeren nicht die vierte Corona-Impfung empfohlen. Doch seine früheren Aussagen widersprechen dem - in Teilen.
Wer soll sich die vierte Corona-Impfung holen? Dazu gibt es schon länger Dissens zwischen der Ständigen Impfkommission (Stiko) und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).
Die Stiko empfiehlt den vierten Piks für Menschen ab 70 JahrenundRisikogruppen. Lauterbach hatte das in früheren Aussagen deutlich weiter gefasst. Am Dienstagabend sagte er im ZDF heute journal zur vierten Impfung:
Ich habe nie gesagt, dass alle jüngeren Leute sich jetzt impfen lassen sollen. Das ist einfach falsch, das wird immer wieder unterstellt.
Diejenigen, die einen etwas ruhigeren und beschwerdefreieren Sommer haben wollen, sollten auch die Impfung in Erwägung ziehen.
Karl Lauterbach, Bundesgesundheitsminister
In diesem Interview macht Lauterbach keine Einschränkung. Er sagt also nicht, sein Rat richte sich zum Beispiel nur an Menschen mit vielen Kontakten. Sehen Sie hier Lauterbachs Aussage im Video:
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) empfiehlt eine vierte Corona-Impfung für einen "ruhigeren und beschwerdefreieren Sommer".15.06.2022 | 0:52 min
Karl Lauterbach am 17. Juni
Zwei Tage später fragt ZDFheute auf der Bundespressekonferenz nach. Die Antwort: Wer viele Kontakte habe, etwa weil er in einer Bar arbeite, solle die vierte Impfung in Erwägung ziehen, sagt Lauterbach. Auf Nachfrage sagt Lauterbach, seine Aussage beziehe sich auch auf Jüngere.
Am 17. Juni sagt Lauterbach auch, dass seine Aussage zur Viertimpfung nicht 100 Prozent deckungsgleich mit der Stiko-Empfehlung ist. Viele Ärzte würden über die Empfehlung der Stiko hinaus impfen.
Wenn ein jüngerer Mensch einen Risikofaktor für Long Covid hat oder für schwere Erkrankungen - oder aber er hat sehr viele Kontakte und will andere nicht gefährden, dann ist das etwas, was jeder Arzt mit ins Kalkül ziehen würde, wenn er die Impfempfehlung ausspricht.
Karl Lauterbach, Bundesgesundheitsminister
Aus dem Archiv: Am 17. Juni fragt ZDFheute, wem Gesundheitsminister Lauterbach eine 4. Impfung empfiehlt. Lauterbach nennt als Beispiel auch Jüngere, die in einer Bar arbeiten.17.06.2022 | 3:00 min
Lauterbach empfiehlt vierte Impfung mit Einschränkungen
Mitte Juli äußert sich Lauterbach im Spiegel-"Spitzengespräch" erneut ganz ähnlich. Dazu befragt, was denn ein 40-Jähriger tun solle, sagte der Minister:
Wenn jemand den Sommer genießen will und will kein Risiko eingehen beispielsweise zu erkranken - vielleicht auch länger zu erkranken oder an Long Covid zu erkranken, dann würde ich in Absprache mit dem Hausarzt auch Jüngeren die Impfung empfehlen.
Karl Lauterbach, Bundesgesundheitsminister
In einem Punkt hat Lauterbach recht. Den Satz "Alle sollen sich jetzt ein viertes Mal impfen lassen", hat er nicht gesagt. Aber er hat die Stiko-Empfehlung derart erweitert, dass die Interpretation "Lauterbach empfiehlt vierte Impfung für alle" zulässig und schlüssig ist. Denn wer möchte keinen "ruhigen Sommer" haben?
Im ZDF heute journal vom Dienstag insistierte Lauterbach hingegen:
Nein, ich habe nicht gesagt: Für alle die vierte Impfung; nur darauf hingewiesen, dass wir auch eine Botschaft für die Unter-60-Jährigen oder die Unter-70-Jährigen benötigen.
Die neuen Corona-Maßnahmen sind fertig. Und wieder gibt es neue Empfehlungen. Statt vierter Impfung für alle sagt Minister Lauterbach jetzt: Besser auf Omikron-Impfstoffe warten.
Interview
Lauterbach ist erkennbar unzufrieden mit der Stiko
Warum agiert Lauterbach hier so? Es dürfte an der Unzufriedenheit des Ministers mit der Stiko-Empfehlung liegen. Die äußert er nicht offen, sondern verklausuliert. Aber es ist unübersehbar, dass Lauterbach und die Stiko in der Impf-Frage fachlich nicht übereinstimmen.
Denn: Anfang August forderte Lauterbach von der Stiko "klare Empfehlungen" auch für Menschen unter 60 oder 70 Jahren. Damit soll auch der Letzte mitbekommen, dass es diese Empfehlungen bisher nicht gibt. Lauterbach findet, dass die Stiko zu langsam ist. Also füllt er selbst die Lücke und empfiehlt - wohl mit Absicht etwas vage formuliert - die vierte Impfung für alle, die einen beschwerdefreien Sommer haben wollen.
Im Prinzip übernimmt Lauterbach den Job von Stiko-Chef Thomas Mertens - und beschädigt ihn damit. Stiko-Mitglied Rüdiger von Kries konterte im TV-Sender "Welt" bereits: "Es wäre besser, wenn Lauterbach seine Zunge etwas besser im Griff hätte." Auch wegen dieses Gegenwindes dürfte Lauterbach jetzt darauf hinweisen, dass er keine Impfempfehlung für alle Jüngere per se gegeben hat. Denn sonst dürften auch Teile der FDP Lauterbach noch stärker für seinen Corona-Kurs kritisieren, als sie das ohnehin schon tun.
Der Widerstand gegen Gesundheitsminister Karl Lauterbach und seinen Corona-Kurs wächst. Erst der Stiko-Chef, jetzt die Kassenärzte. Ist der Minister zunehmend isoliert?