Radikalisierte Impfgegner planen, Michael Kretschmer (CDU) wegen dessen Corona-Politik umzubringen. Eine Gruppe aus Dresden will dafür bereits Waffen besorgt haben.
Die Recherchen von Frontal beginnen vor wenigen Wochen. Wir treten der Telegram-Gruppe "Dresden Offlinevernetzung" bei. Unter dem Tarnnamen Hans können wir Audiochats anhören. Schnell wird klar, was die meisten in dieser Telegram-Gruppe vereint: Sie lehnen Impfungen gegen Covid und die Pandemie-Maßnahmen ab, auch den Staat und das demokratische System.
Einige berichten davon, wie sie bei Anti-Corona-Demonstrationen mitgemacht haben - zum Beispiel am 18. November 2020 in Berlin, als der Bundestag das Infektionsschutzgesetz verabschiedet. Vor gut einem Jahr war es vor dem Reichstag zu schweren Ausschreitungen gekommen. Ein Chat-Teilnehmer bedauert, dass damals nicht genügend Teilnehmer "wirklich entschlossen" waren, "auch in Bundestag zu gehen". Man hätte eiskalt vorgehen müssen: "Dann hätte man das Ding verhindern können."
"Zwei Armbrüste und eine scharfe Waffe"
Administrator des Chats ist ein Mann, der sich Daniel nennt: "Ich hoffe mal, dass ich noch ein paar Patrioten finde, die wissen, was die Phase ist, die bereit sind zur Not mit Waffengewalt gegen diese dummen Spacken (…) vorzugehen."
In der Telegram-Gruppe unterhalten sich mehr als 100 Mitglieder. Deutschland ist für sie eine Diktatur, Corona nur eine Grippe oder wahlweise eine Erfindung von Juden und der öffentlich-rechtliche Rundfunk "Lügenpresse". Je länger wir zuhören, desto klarer wird, dass ein harter Kern der Gruppe eine hohe Gewaltbereitschaft zeigt.
Antreiber scheint Administrator Daniel zu sein, der in einer Sprachnachricht ankündigt:
Er behauptet, er hat sich bereits bewaffnet und Munition parat, Kaliber 9 Millimeter: "Mich impft keiner, ich habe hier zwei Armbrüste und eine scharfe Waffe. Da sollen die Mal kommen. Ich nehme da vorher noch einen mit."
Rund um Corona gibt es noch viele Gerüchte und Falschmeldungen. Was ist dran an den Argumenten der Impfgegner? WISO macht den Faktencheck.
Ein anderer antwortet, er habe sich schon Dinge bestellt. "Dürfte och unterwegs sein." Dann fragt er: "Aber, wie kann man sich auch Waffen selber bauen?"
Mordpläne gegen Ministerpräsident Kretschmer
Ein harter Kern trifft sich nicht nur über Telegram. Vor 14 Tagen verabredet eine kleine Gruppe ein konspiratives Treffen, nachts in einem Park in Dresden. Die Männer haben Hunde dabei, reden ausführlich, mehrere Stunden. Wir können das Treffen aus der Ferne filmen. Was sie genau besprechen, ist schwer zu verstehen. Doch am Tag darauf wird klar, worum es ging: Mordpläne gegen Michael Kretschmer, den sächsischen Ministerpräsidenten.
Einer, der sich Thomas F. nennt, berichtet:
Daniel, der Administrator, konkretisiert: "Bei dem Typen einmarschieren, den Typen dort rausziehen und irgendwo aufhängen." Ein Dritter, Thomas D., kommentiert: "Da muss man sich entscheiden, ist man bereit für so ein Opfer."
Kretschmer fordert schärfere Beobachtung von Telegram
Erst vor wenigen Tagen hatte Sachsens Ministerpräsident im ZDF eine schärfere Beobachtung radikaler Gruppen auf Telegram gefordert. Rechtsextreme verbreiteten dort Propaganda, Hass und Hetze. Kretschmer forderte den designierten FDP-Bundesjustizminister Marco Buschmann auf, tätig zu werden - und blitzte ab.
Für den Extremismusforscher und Dresdner Politwissenschaftler Hans Vorländer ist die Radikalisierung der Corona-Leugner-Szene alarmierend. Telegram spiele dabei eine entscheidende Rolle: "Hier wird angeheizt, aufgeheizt, verschärft." Hass, Hetze und Polemik münde dort auch in die Androhung von körperlicher Gewalt.
Der sächsische Verfassungsschutz schreibt auf Nachfrage von Frontal, er beobachte eine "zunehmende Radikalisierung der Szene". Über Telegram würden massiv Verschwörungsnarrative und Hetzkampagnen verbreitet. "Das Ergebnis sind Beleidigungen und Bedrohungen von Politikern, die mit drastischen Formulierungen in aller Öffentlichkeit skandiert werden."
Ernste Mordpläne oder Gewaltfantasien?
Am vergangenen Samstag verabredet sich der harte Kern der Telegram-Gruppe "Dresden Offlinevernetzung" nochmals. Treffpunkt ist wieder ein Park, diesmal bei Tageslicht am frühen Nachmittag. In einem Auto warten wir auf dem vereinbarten Parkplatz und tatsächlich fahren nach und nach mehrere Fahrzeuge vor.
Als die Gruppe sich gesammelt hat, konfrontieren wir die mutmaßlichen Rädelsführer vor laufender Kamera. "Sie wollten ja den Ministerpräsidenten aus dem Haus holen und aufhängen. War das jetzt nur eine Gewaltfantasie?"
Doch auf unsere Fragen gibt es keine Antworten, nur so viel: "Ich sage dazu nichts. Kein Kommentar." Dann verschwindet die Gruppe im Wald. Am Tag darauf ist der Telegram-Kanal nicht mehr öffentlich einsehbar. Der Administrator hat ihn auf privat gestellt.
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