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Interview

Ethikrat empfiehlt Impfpflicht : Lob-Hüdepohl: "Im Interesse der Gemeinschaft"

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Der Ethikrat plädiert mehrheitlich für eine allgemeine Impfpflicht. Es sei im Interesse aller, dass der Staat zu diesem "letzten Mittel" greifen könne, sagt Ethiker Lob-Hüdepohl.

Eine Durchimpfungsrate von 70-75 Prozent reiche nicht aus, "um die Lage zu kontrollieren", sagt Ethikrat-Mitglied Prof. Lob-Hüdepohl. Daher sei eine allgemeine Impfpflicht nötig.

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In der Debatte um eine allgemeine Corona-Impfpflicht hat sich jetzt auch der Deutsche Ethikrat neu positioniert. Er plädiert mehrheitlich für eine Ausweitung der Impfpflicht. In welcher Form sie kommen soll, ist aber umstritten. Andreas Lob-Hüdepohl erklärt im Interview mit dem ZDF heute journal update die Position des Ethikrates.

ZDF: Noch im Juli hat die Vorsitzende des Ethikrates, Frau Buyx, eine Impfpflicht für unnötig gehalten, selbst für bestimmte Berufsgruppen. Jetzt plädiert ihr Gremium sogar mehrheitlich für eine allgemeine Impfpflicht. Erklären sie doch nochmal diesen Sinneswandel. 

Andreas Lob-Hüdepohl: Der Sinneswandel liegt in der neuen Lage begründet. Im Sommer schien es noch so, dass wir mit einer Durchimpfungsrate von 70 bis 75 Prozent der Gesamtbevölkerung auskommen, um die Lage zu kontrollieren. Die neuen Varianten haben dieses Erfordernis ganz nach oben geschraubt. Wir müssen jetzt vermutlich 90 bis 95 Prozent Durchimpfungsrate in der Bevölkerung haben. Das erreichen wir nicht mehr durch freiwilliges Impfen.

Von daher war es zunächst geboten, die Impfpflicht einrichtungsbezogen zu begründen, also für die Personen, die mit besonders gefährdeten Gruppen beruflich zu tun haben. Auch das reicht nicht aus. Deshalb sind wir zu einer neuen Einschätzung der Lage kommen, weil sich die Lage verändert hat.  

ZDF: Ja, der Ethikrat hat sich auch für begleitende Maßnahmen ausgesprochen. Wie will man zum Beispiel sicherstellen, dass alle dann auch dieser Pflicht nachkommen?  

Lob-Hüdepohl: Dieser Pflicht kommt man nach, indem man auch eine Ordnungsstrafe angedroht bekommt. Das ist nicht das erste. Aber bevor all das passiert, muss erst der Staat die Aufgaben machen. Das heißt, er muss niedrigschwellige Angebote machen. Er muss Menschen unmittelbar ansprechen. Er muss ihnen, wie in anderen Ländern geschehen, beispielsweise in Spanien mit hoher Impfquote, einen Termin unmittelbar anbieten und dergleichen.

Das heißt, er muss niedrigschwellig zunächst mal selber versuchen, dass die gesetzliche Impfpflicht auch befolgt wird. Und erst bei einer fortwährenden Verweigerung kommt es dann möglicherweise zu Ordnungsgeldern. Und das ist ja in anderen Fällen auch der Fall.  

ZDF: Es gibt sicher Menschen, die sich sehr wahrscheinlich jedenfalls auch von einer Impfpflicht nicht werden beeindrucken lassen. Zwingen kann man sie aber auch nicht. Wie sollte die Gesellschaft damit umgehen?  

Lob-Hüdepohl: Also was in jedem Fall ausgeschlossen werden muss, ist eine Zwangsimpfung. Das wäre zwar theoretisch möglich, wird aber in jedem Fall von uns entschieden abgelehnt. Da gibt es, glaube ich, auch überhaupt keinen Dissens in der Bevölkerung.

Und ansonsten wird sich möglicherweise eine Gesellschaft damit abfinden müssen, wie auch bei anderen Ordnungswidrigkeiten, dass sich zwei, drei, vier Prozent weigern und auch bestimmte Ordnungsstrafen bezahlen und sich immer noch weigern. Das ist aber, denke ich, verkraftbar.

Es werden sich andere tatsächlich motiviert fühlen, angesichts einer Drohung von möglicherweise eine Ordnungsstrafe dann sich auch impfen zu lassen, möglicherweise sogar gesichtswahrend, dann sagen, dass sie sich impfen lassen.
Andreas Lob-Hüdepohl, Ethiker

Aber auch das ist nur Worst Case. Ich gehe davon aus, wie auch die Mehrheit im Rat, dass die Begründung, die wir dafür geliefert haben - es ist ja nicht nur eine Empfehlung, sondern wir haben es ja auch noch mal begründet -, dass sich davon eine nennenswerte Anzahl der Bevölkerung, der noch nicht Impfwilligen, auch überzeugen lassen. Insofern bin ich zuversichtlich. 

ZDF: Wenn man sieht wie die verschärften Maßnahmen, die jetzt wieder kommen, also Kontaktbeschränkungen zum Beispiel, jetzt doch wieder alle Menschen treffen, die dreifach Geimpften nahezu ebenso wie die Ungeimpften, sehr zum Frust der Geimpften - wie kann man da die Leute weiter motivieren, dem Staat und seinen Vorgaben zu folgen?  

Lob-Hüdepohl: Naja, zunächst einmal ist es ja auch ein Eigeninteresse. Dass ein Gemeinwesen funktioniert, ist ja nicht mehr im Interesse des Staates, sondern in unser aller Interesse. Beispielsweise die Freiheit sich zu bewegen, die Freiheit Menschen zu treffen, die Freiheit einen Beruf auszuüben.

Das alles kann nur gesichert werden, weil es ein intaktes Gesundheitssystem gibt, auf das wir alle angewiesen sind, übrigens nicht nur als Covid-19-Erkrankte, sondern generell alle Erkrankten. Und das gilt es zu sichern als Basis für die individuelle Freiheit eines jeden und einer jeden.

Und insofern, denke ich, kann es dazu kommen, dass der Staat die letzten Mittel, beispielsweise eine allgemeine gesetzliche Impfpflicht, für die die impffähig sind, für die, die sich aufgrund von medizinischen Maßnahmen nicht impfen lassen können gilt natürlich eine solche gesetzliche Impfpflicht nicht.

Aber dass ein Staat als letztes Mittel für diese Maßnahme sich auch bereithält, ist, glaube ich, im Interesse der Gemeinschaft.
Andreas Lob-Hüdepohl, Ethiker

Und ich glaube, eine große Zahl der Bevölkerung erwartet das sogar, dass die Solidarität gegenüber allen, die das machen können, auch eingefordert wird.  

Auf der Illustration ist eine Frau zu sehen, die beide Arme zur Schulter zieht. Über der linken Hand schwebt ein Symbol mit Daumen runter, über der rechten Hand schwebt ein Symbol mit Daumen hoch.

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