Erst war es nur eine Gartenparty am Vorabend von Prinz Philips Beerdigung - für die hat sich der Premier entschuldigt. Jetzt zeigt sich: Es gab wohl mehr Lockdown-Partys.
Neue Vorwürfe setzen den britischen Premier Boris Johnson im "Partygate"-Skandal noch stärker unter Druck. In der Downing Street hat es einem Medienbericht zufolge während der Pandemie nicht nur vereinzelte, sondern regelmäßige Zusammenkünfte gegeben, bei denen Alkohol getrunken worden sei.
Traditionelle Freitagstreffen trotz Lockdown
Das schreibt der in der Angelegenheit meist gut informierte "Mirror" am Samstag. Johnsons Mitarbeiter hätten sich jeden Freitag zu "Wine-time Fridays" getroffen, der Premier habe sie ermutigt, "Dampf abzulassen" - auch wenn Treffen in Innenräumen gemäß der Lockdown-Regeln streng verboten gewesen waren. Der Regierungschef habe mehrmals selbst bei diesen Zusammenkünften vorbeigeschaut.
Freitägliche Treffen sind nach "Mirror"-Angaben seit langem eine "Downing-Street-Tradition", auch unter früheren Regierungen. Die Zusammenkünfte wurden demnach aber auch fortgesetzt, nachdem Corona-Beschränkungen erlassen worden waren.
Feier am Vorabend von Prinz Philips Beerdigung
Zuvor hatte die Zeitung "The Telegraph" berichtet, dass Mitarbeiter des Büros von Regierungschef Boris Johnson eine Feier während des Corona-Lockdowns und am Vorabend der Beerdigung von Prinz Philip abgehalten hätten.
Am Freitagnachmittag wurde zudem eine weitere Party während des Lockdowns bekannt: Diesmal ausgerechnet zum Abschied der Leiterin der Anti-Covid-Taskforce des Kabinetts veranstaltet. Angesichts der immer neuen Enthüllungen wächst der Druck auf Premierminister Boris Johnson.
Johnson-Sprecher entschuldigt sich
"Es ist zutiefst bedauerlich, dass dies in einer Zeit der nationalen Trauer geschehen ist", sagte ein Sprecher von Johnson zu zwei Partys im April 2021. Die Entschuldigung an die 95-jährige Königin wurde über offizielle Kanäle per Telefon übermittelt, allerdings nicht persönlich von Johnson. Dieser sieht sich nach den neuen "Partygate"-Enthüllungen wachsendem Druck ausgesetzt.
Nach einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Savanta ComRes wuchs der Vorsprung der oppositionellen Labour-Partei vor Johnsons Tories auf zehn Prozentpunkte.
Viel Rückhalt für Johnson aus eigenen Reihen, Opposition fordert Rücktritt
Nach seiner Entschuldigung hatten die meisten Mitglieder seines Kabinetts ihm öffentlich ihre Unterstützung versichert - wenn auch potenzielle Nachfolger wie Rishi Sunak sich dabei auffällig zurückhielten. Sunak erklärte auf Twitter, der Premierminister habe sich "zu Recht entschuldigt". Zugleich unterstütze er dessen Forderung, die Untersuchungen zu dem Fall abzuwarten.
Der Chef der Konservativen Partei in Schottland, Douglas Ross, stellte sich offen gegen Johnson und forderte wie vier andere Tory-Abgeordnete dessen Rücktritt. Der Tory-Parlamentarier Tobias Ellwood sagte "Times Radio", er begrüße Johnsons Entschuldigung. "Aber die Sache ist noch lange nicht ausgestanden", betonte er.
Die Opposition fordert den Rücktritt des Premiers. Johnsons Haltung sei "untragbar", sagte die Labour-Abgeordnete Lisa Nandy der BBC. Bei Hinterbliebenen von Corona-Toten, die sich nicht verabschieden konnten von ihren Angehörigen, habe Johnsons Teilnahme an der Party "Entsetzen" und "Abscheu" ausgelöst. Nandy forderte Ermittlungen der Polizei, die entsprechende Untersuchungen nicht ausschließt.
Regierungsbeamtin Gray prüft "Partygate"-Skandal
Zunächst wird der Fall aber von der Regierungsbeamtin Sue Gray geprüft, die bereits Untersuchungen zu mehreren anderen mutmaßlichen Partys unter Verstoß gegen die Corona-Regeln in Regierungskreisen leitet.
Am Mittwoch hatte Johnson im Parlament den Besuch einer Gartenparty am Regierungssitz in der Downing Street eingeräumt und um Entschuldigung gebeten. Damals befand sich das Land im strikten Corona-Lockdown und selbst Treffen von mehr als zwei Menschen im Freien waren verboten.
- Johnsons Politikerkarriere am seidenen Faden
Der britische Premier Johnson kämpft nach der Entschuldigung für eine Gartenparty im Corona-Lockdown ums politische Überleben. Wie es ausgeht, hängt nicht nur von seiner Partei ab.