Sachsens Ministerpräsident Kretschmer betonte im ZDF, dass man einen erneuten Lockdown nicht ausschließen könne. FDP-Politiker Kubicki sieht Regelungen auch kurzfristig möglich.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) findet klare Worte. "Einen Lockdown kann man nicht ausschließen. Was machen Sie, wenn die Krankenhäuser nicht mehr können? Dann muss es dieses Instrument geben, um noch Schlimmeres zu verhindern", sagte Kretschmer am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung "maybrit illner".
Man könne nicht "sehenden Auges" in Bilder wie in Bergamo laufen. Die vierte Corona-Pandemiewelle stelle "alles in den Schatten, was wir erlebt haben". Die Einführung von 2G sei ein erster Schritt, der bundesweit Standard werden sollte.
Kretschmer: Impfen und Testen am Arbeitsplatz
Er reiche aber nicht aus, um die Welle zu brechen. Weitere Instrumente müssten hinzukommen, betonte der Dresdner Regierungschef und nannte unter anderem das Impfen wie auch zusätzlich Testen am Arbeitsplatz.
Scharf kritisierte Kretschmer den von den Ampel-Koalitionären vorgelegten Entwurf eines neuen Infektionsschutzgesetzes. Jetzt aus dem Katalog der Instrumente zur Eindämmung der Pandemie Maßnahmen herauszunehmen, sei "absolut fahrlässig". [Die Ampel-Pläne wurden heftig im Bundestag diskutiert.]
Regionale Kontaktbeschränkungen?
Dazu müssten im Bundesrat "eine ganze Reihe von Änderungsanträgen" besprochen werden, kündigte der CDU-Politiker an. Ein Virus könne man nicht "politisch niederstimmen". Eindringlich sprach sich Kretschmer für die Möglichkeit aus, in Regionen mit hoher Inzidenz Kontaktbeschränkungen verhängen zu können. Wie Lage derzeit aussieht, zeigt die ZDFheute-Grafik:
Gebraucht werde eine öffentliche Debatte über die Frage, wer in dieser Pandemie wen anstecke. An die Geimpften appellierte Kretschmer, trotz ihres Rechts auf Freiheiten vorsichtig zu sein:
Kretschmer fügte hinzu: "Da müssen wir die nächsten Monate bis Ostern solidarisch sein - auch diejenigen, die geimpft sind. Ansonsten werden wir diese Pandemie nicht in den Griff bekommen."
FDP-Vize Kubicki: Regelungen nicht ohne Parlament
Das Parlament sei in der Lage, innerhalb von 48 Stunden der Situation angepasste gesetzliche Regelungen zu schaffen. Regelungen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens dürften aber nicht "auf Vorrat und auf jeden Fall nicht ohne parlamentarische Beteiligung" erlassen werden, sagte Kubicki mit Blick auf die Entscheidungsrunden der Ministerpräsidenten der Länder mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Expertin für Infektionskrankheiten: Nur 2G ist zu wenig
Helga Rübsamen-Schaeff, Chemikerin und Biochemikerin und Expertin für Infektionskrankheiten, erklärte:
Mit Blick nach Israel könne man sehen, wie der Verlauf der Pandemie ist. "Wenn man sich nur auf 2G verlässt, ist das zu wenig", betonte Rübsamen-Schaeff. Die Biochemikern verwies auf eine Studie der Oxford University, die belege, dass Lockdown und Ausgangsbeschränkungen etwas brächten.
"Wer immer Verantwortung hat, muss jetzt handeln und zwar schnell", konstatierte sie. Außerdem gab sie zu bedenken, dass 85 Prozent Impfquote nicht reichen: "Wir müssen uns mit dem Gedanken vertraut machen, dass wir mehr als ein Instrument brauchen."
Pflegerat: Deutschland mitten im Kollaps
Annemarie Fajardo, Vize-Präsidentin des Deutschen Pflegerates, betonte, dass Deutschland sich bereits mitten im Kollaps befinde: Zum vorhandenen Pflegenotstand käme jetzt noch die Pandemie. Sie erklärte:
Man dürfe laut Fajardo nicht eindimensioniert in die Berufsgruppen hineinschauen und sagen, dass nur Pflegende geimpft sein müssen. Wenn dann müsse man die Verpflichtung auf alle medizinischen Berufe ausweiten, damit sie erfolgreich umgesetzt werden kann, ist sich Fajardo sicher.
Angemessene Rechtsgrundlagen schaffen
"Ich kritisiere, dass die Maßnahmen so unkonkret formuliert sind", erklärte Anika Klafki, Juniorprofessorin für Öffentliches Recht an der Universität Jena. Sie bezog sich dabei auf das von der künftigen Ampel-Koalition eingebrachte neue Gesetz, das den Maßnahmen-Katalog erheblich verkürze. [Die Corona-Zahlen steigen, die Regeln werden weniger? Unsere Rechtsexpertin Sahra Tacke erklärt im Video, was wegfällt, was bleibt.]
Klafki betonte, dass täglich Menschen stürben und "das Ziel muss doch sein, angemessene Rechtsgrundlagen zu schaffen". Sie forderte FDP-Politiker Kubicki auf zu erklären, wie man mit weniger und leichteren Maßnahmen effektiv die Pandemie eindämmen wolle.
Klafki: Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen rechtlich möglich
Weiterhin sagte sie, dass die Einführung einer möglichen Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen rechtlich möglich sei: Die obergerichtlichen Entscheidungen (...) zur Pockenschutzimpfung und (...) zur Masernimpfung kann man auf das Coronavirus übertragen, so Anika Klafki.