Können zwei Wochen "harter Lockdown", wie vielfach gefordert, die dritte Welle brechen? SPD-Gesundheitspolitiker Lauterbach erklärt, wie das funktionieren könnte.
"Wir brauchen eigentlich noch mal 10, 14 Tage mindestens richtiges Runterfahren unserer Kontakte, unserer Mobilität", sagte Gesundheitsminister Jens Spahn. Ifo-Präsident Clemens Fuest forderte einen harten zweiwöchigen Shutdown in den Osterferien. Und in einer Online-Petition verlangen Zehntausende einen "strikten Lockdown gegen die dritte Welle. Jetzt".
Doch würden zwei Wochen harte Einschränkungen wirklich reichen, um die dritte Corona-Welle zu brechen? Ja - wenn sie schnell kommen, sagen Experten.
Lauterbach fordert Ausgangsbeschränkungen
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach geht davon aus, dass drei Maßnahmen genügen:
- Vereinbarte Notbremse einhalten
- Testpflicht in Betrieben einführen
- Ausgangsbeschränkungen von 20 bis 5 Uhr
Zwei bis drei Wochen nächtliche Ausgangsbeschränkungen würden laut Lauterbach reichen, um den R-Wert unter 1 zu drücken. Nach einer Studie der Universität Oxford senkten sie ihn um 15 Prozent. Aktuell liegt der R-Wert bei 1,1. Bleibt er längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab.
Abendliche Treffen machten zwar nur 7 bis 8,5 Prozent der Kontakte aus, sagt Lauterbach im Gespräch mit ZDFheute, - "aber das sind die gefährlichsten". Dort seien die Leute ungeschützt. Auch Treffen im Freien seien "sehr gefährlich" betont er mit Blick auf Menschen, die abends Bier trinkend auf Plätzen zusammenstehen.
Eine weitere Möglichkeit, die Zahlen zu drücken, sei, Betriebe zu schließen, sagt Lauterbach. Doch die Kosten seien enorm. Das kommt für ihn erst in Frage, "wenn wir jetzt das Zeitfenster verpassen und auf die 100.000 Fälle zugehen". Stattdessen fordert er eine Testpflicht in Betrieben. Neue Einschränkungen bei den Kitas will Lauterbach möglichst vermeiden.
Intensivmediziner für schnellen Lockdown
Auch die Intensivmediziner plädieren für zwei bis drei Wochen harten Lockdown. "Die Frage ist nur, wann dieser ausgelöst wird", sagte Christian Karagiannidis, der medizinisch-wissenschaftliche Leiter des Divi-Intensivregisters. Aktuell sind 3.587 Intensivbetten belegt.
Bis auf mehr als 4.500 Patienten auf den Intensivstationen werde es auf jeden Fall wieder hochgehen, prognostizierte Karagiannidis kürzlich. "Wird dann ein harter Lockdown beschlossen, schaffen wir es, bei knapp über 5.000 die Kurve wieder zu senken." Werde aber länger gewartet, rechnet er mit mehr als 6.000 Intensivpatienten. "Ob wir das packen, wage ich zu bezweifeln."
Spanien 2020: Zwei Wochen "Winterschlaf"
Dass zwei Wochen strenge Maßnahmen einen Effekt haben können, zeigt das Beispiel Spanien von vor einem Jahr: Dort schickte die Regierung das Land vor Ostern in einen "Winterschlaf". Es galt eine strikte Ausgangssperre, die meisten Menschen durften nicht einmal zu ihrem Job fahren und mussten die Zeit später nacharbeiten. Die Zahlen sanken rapide. Ein deutlicher Abwärtstrend ist zehn Tage nach dem Ende des "Winterschlafs" zu erkennen - der typische Zeitraum, den es braucht, bis sich Maßnahmen in den Infektionszahlen niederschlagen.
Doch auch nach den zwei Wochen mit Betriebsschließungen galt in Spanien noch eine strikte Ausgangssperre. "Vor einem Jahr stand das Leben in Spanien für zwei Monate völlig still", sagt Brigitte Müller, ZDF-Reporterin in Madrid. "Ein Schritt, den hier keiner bereut hat."
Portugal 2021: Inzidenz sinkt von 879 auf 29
Das Beispiel Portugal zeigt, dass auch mit der neuen Corona-Variante B.1.1.7 die Zahlen schnell sinken können. Ab 15. Januar galt dort ein harter Lockdown. 14 Tage später begann der Abwärtstrend bei Infektionszahlen und Inzidenz - letztere sank von 879 binnen zwei Wochen auf 287. Heute liegt die bei 29. Die Einschränkungen galten allerdings bis Anfang März.
Wenn Deutschland jetzt, bei niedrigeren Inzidenzen (aktuell liegt sie bei 135 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen), einen Lockdown verhängen würde, könnte es schnellere Erfolge geben. Lauterbach ist überzeugt: Mit dem Einhalten der Notbremse, zwei bis drei Wochen abendlichen Ausgangsbeschränkungen plus regelmäßigen Tests in Betrieben und Schulen könnte das Land die dritte Welle in den Griff kriegen - und zwar "relativ minimalinvasiv".