Trotz Höchstwerten bei Inzidenzen: Nach zwei Jahren laufen die meisten Corona-Beschränkungen aus. Ein Wahnsinn, so Mediziner des Klinikums Nürnberg.
Für Chefarzt Joachim Ficker vom Klinikum Nürnberg sind die jüngsten Lockerungen der Corona-Regeln völlig unverständlich. In seiner Klinik werden zurzeit 180 Corona-Patienten behandelt, davon 17 auf der Intensivstation. Tendenz steigend.
Normalstationen füllen sich
Inzidenzen so hoch wie nie, bundesweit über 200.000 Neuinfektionen am Tag, längst rolle die sechste Welle, so der Leiter der Pneumologie. Zwar hätten sie weniger Covid-Patienten als im Winter auf der Intensivstation, dafür füllen sich die Normalstationen wegen, aber auch mit Covid-Patienten. Neben Corona-Erkrankten sind es auch Patienten, die wegen einer OP, einer Herzerkrankung oder zur Entbindung ins Krankenhaus kommen und deren Tests dann positiv sind.
Visite auf Station III bei Patient Zdravko Gorisek. Der 73-Jährige ist im Februar trotz zweifacher Impfung an Corona erkrankt. Zunächst schien alles harmlos, ein bisschen Husten und Fieber. Zu der Corona-Erkrankung kam eine Lungenentzündung. Er leidet unter akuter Atemnot. Auch seine Frau steckte sich an. Dabei habe man doch alles getan, um sich vor dem Virus zu schützen, sagt Gorisek.
Sorge wegen Omikron-Subvariante
Doch die neue Omikron-Variante BA.2 ist sehr viel infektiöser und verbreitet sich rasant schnell, so der Infektiologe Prof. Clemens Wendtner von der München Klinik Schwabing. "Dieser Subtypus BA.2 hat einfach ein paar PS-Stärken mehr."
Nach den jüngsten RKI-Daten lag der Anteil von BA.2 zuletzt bei 62 Prozent bundesweit. Zwar führt die Variante nicht unbedingt zu schwereren Krankheitsverläufen, doch sie macht selbst vor Geimpften und Geboosterten nicht halt.
Risiko nicht unterschätzen
Man dürfe das Risiko der Omikron-Variante nicht unterschätzen, mahnt auch Dr. Matthias Baumgärtel, Oberarzt auf der Intensivstation Nürnberg:
Besonders gefährdet sind Ungeimpfte, aber auch Geimpfte, Ältere, Immungeschwächte und Patienten mit Vorerkrankungen. Über 200 Menschen sterben wegen und mit Corona. Bundesweit. Jeden Tag.
Pflegende am Limit - Viele infiziert
Nüchterne Zahlen - doch irgendwie scheine das niemanden mehr zu interessieren, so Chefarzt Joachim Ficker. Gerade kämpfen Ärzte und Pflegekräfte auf Intensivstation um das Leben einer Frau. Sie ist Anfang sechzig, an eine ECMO - eine Herz-Lungenmaschine - angeschlossen.
"Wir tun alles, was wir können, und wir hoffen, dass es uns gelingt,“ sagt Pflegekraft Nino. Seit Beginn der Pandemie betreut sie schwerkranke Covid-Patienten. "Ich dachte, das hört jetzt mal auf, aber es geht immer weiter, weiter, weiter."
Noch nie waren so viele Menschen mit einer Corona-Infektion in den Kliniken. Doch die Intensivstationen seien "nicht so hoch belastet", sagt Krankenhaus-Experte Gaß im ZDF.
Pflegedienstleiter Klaus Eichmüller sorgt sich um sein Team.
Dazu steckten sich immer mehr mit Omikron an, fallen aus, der Krankenstand beim Personal sei historisch: "Wie sollen wir das irgendwie noch bewältigen?"
Chefarzt: Werden alleine gelassen
Diese Welle wird nicht die letzte sein, was dieser Virus anrichten kann, welches Leid er verursacht, in der Nürnberger Klinik sehen sie es jeden Tag. Doch draußen wolle man dies einfach nicht mehr wahrhaben, so der Chefarzt. Mehr und mehr fühle sich das Team alleine gelassen, das ständige Hickhack um die Corona-Bestimmungen nerve zunehmen.
Denn eines sei klar, diese Welle wird nicht die letzte sein, und weitere Mutationen werden folgen.
- So schlimm war der Corona-Winter
Deutlich mehr Infektionen, weniger Tote: Wie die Omikron-Welle im Vergleich zur Delta-Welle verlaufen ist - ein Überblick.