Um digital Kontakte nachzuverfolgen, setzen immer mehr Gesundheitsämter die "Luca-App" ein. Für Kritiker ist das auch eine Bankrotterklärung für die bestehende "Corona-Warn-App".
"Luca" ist zumindest teilweise im Einsatz. Die App, mit der sich Gäste digital im Café registrieren können, wird bereits bei 60 von 375 Gesundheitsämtern in Deutschland genutzt, berichtet die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Weitere Gesundheitsämter hätten bestätigt, die App einsetzen zu wollen.
Ob die App bundesweit kommt, wie vor zwei Wochen eigentlich von den Ländern angekündigt, ist nach ZDF-Informationen allerdings offen. Bisher hat nur Mecklenburg-Vorpommern eine Lizenz für die App erworben, Berlin will kommende Woche folgen.
Die App, die durch den Musiker "Smudo" bekannt wurde, erzeugt einen digitalen Fingerabdruck, einen QR-Code. Hinter ihm können Nutzer anonym persönliche Daten wie Namen und Handynummer hinterlegen. Mit dem QR-Code können Gäste auch anonym im Restaurant oder Café einchecken. Wird einer der Gäste später positiv auf Corona getestet, können mit Hilfe der App die Kontakte nachverfolgt werden. Das soll künftig Zettel ersetzen.
Weiterentwicklung der Corona-App "vollkommen verpennt"
Eigentlich hat Deutschland schon eine App: Die Corona-Warn-App, vorgestellt im Juni 2020. Etwa 26 Millionen Menschen haben die App runtergeladen - das ist im internationalen Vergleich ein sehr guter Wert. Zum Start der App im Juni 2020 bekam sie viel Lob, unter anderem vom Chaos Computer Club. Doch seitdem macht sie Schlagzeilen wegen Fehlermeldungen. Außerdem ist sie allenfalls halbherzig weiterentwickelt worden.
Anders als die Luca-App hat die Corona-Warn-App eben keinen QR-Code zum Einchecken in Restaurants. Nutzer können lediglich Kontakte aufschreiben, sich also selber Notizen machen. Damit fehle der App praktisch die Funktion der Clustererkennung, kritisiert der Grünen-Abgeordnete Dieter Janecek. "Man fragt sich, wofür die 80 Millionen Euro für Entwicklung und Werbung eigentlich ausgegeben wurde", sagt er ZDFheute. Jens Spahn habe die Weiterentwicklung der App "monatelang verpennt."
- Wird die Corona-Warn-App vernachlässigt?
Gratis-Schnelltests könnten an diesem Mittwoch beschlossen werden. Doch in der Corona-Warn-App kann man deren Ergebnisse weiterhin nicht eintragen - wird die App vernachlässigt?
Das Problem: In der Bundesregierung wollte offenbar niemand Fehler machen mit der App. Aus Sorge vor negativen Schlagzeilen wurde die Verantwortung für die App von Schreibtisch zu Schreibtisch weitergereicht. So beschreiben es zumindest diejenigen dem ZDF, die an der App mitgearbeitet haben. In den Ministerien habe niemand groß denken wollen. Hauptsache, der Start der App sei geglückt, danach habe man sich wieder schlafen gelegt, sagt einer, der nicht genannt werden will.
Was Digitalexperten von der Luca-App verlangen
Mit der neuen Luca-App soll das jetzt anders werden. Mit ihr sei künftig eine digitale Kontaktnachverfolgung ohne Zeitverzögerung gewährleistet, sagt Ute Teichert, Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. "So lassen sich Superspreader schnell erkennen." Teichert verspricht, die App speichere Daten verschlüsselt und lokal. Damit erfülle sie auch die Anforderungen des Datenschutzes.
- Weg mit Zetteln: Städte wollen Check-in-Apps
Zu langsam, zu analog: Die Gesundheitsämter kommen nach einer Corona-Infektion kaum hinterher. In der Politik das Hauptargument für den Shutdown. Jetzt sollen Zusatz-Apps helfen.
Ob das wirklich stimmt, würde der Verein D64 gerne überprüfen - und fordert, sich die App genauer anschauen zu dürfen. Ähnlich wie schon bei der Corona-Warn-App müsse auch "Luca" den Quellcode veröffentlichen, also die Programmierung der App. "Nur so kann Vertrauen in eine digitale Lösung geschaffen werden", sagt Marina Weisband von D64.
Ihr Co-Vorsitzender Henning Tillmann kritisiert, dass "Luca" überhaupt erst eine Lücke fülle, die die Bundesregierung längst hätte schließen müssen. "Einige Funktionen wie ein anonymer Check-In hätte die Corona-Warn-App schon im Herbst anbieten können", sagt er. "Dass jetzt Drittanbieter einspringen müssen, ist ärgerlich und zeigt die Planlosigkeit beim Projektmanagement der Corona-Warn-App." Die Corona-Warn-App soll in Kürze übrigens auch eine Check-In-Funktion bekommen. Neun Monate nach dem Start.
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