Die Ampel-Parteien haben ihre Corona-Pläne nachgeschärft. Doch wo liegen die Grenzen? Einschränkungen für Ungeimpfte zum Schutz anderer seien möglich, so Rechtsexperte Augsberg.
Angesichts der rasant steigenden Corona-Infektionszahlen wird der Katalog der möglichen Eindämmungsmaßnahmen deutlich ausgeweitet. Neue Pläne der Ampel-Parteien sehen unter anderem eine 3G-Regel für Bus und Bahn vor sowie die Möglichkeit von Kontaktbeschränkungen im privaten und öffentlichen Raum.
Ausgangs- oder Reisebeschränkungen sowie generelle Schließungen von Schulen, Läden oder Gaststätten sollen nach dem Auslaufen der epidemischen Lage am 25. November jedoch nicht mehr möglich sein.
Die geplanten Regelungen seien "faktisch ein Lockdown für Ungeimpfte", sagte der Vize-Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Wiese, im ZDF.
Rechtsexperte: Einschränkungen für Ungeimpfte möglich
Aber ob ein Lockdown für Ungeimpfte in Deutschland rechtlich möglich wäre, ist laut dem Rechtswissenschaftler und Ethikratmitglied Steffen Augsberg nicht ganz eindeutig. Zwar sei ein Lockdown nach österreichischem Vorbild in Deutschland "ganz klar verfassungswidrig", sagte Augsberg bei ZDFheute live. Wohl aber wäre es möglich und sogar "zu einem gewissen Grad geboten", Ungeimpfte zum Schutz anderer einzuschränken, indem sie etwa von Großveranstaltungen ausgeschlossen würden. Diese Art von Einschränkung sei "durchaus vorstellbar", so der Rechtswissenschaftler.
Ausgangssperren jedoch hält Augsberg in Deutschland für nicht mehr verhältnismäßig. Und: Eine Unterscheidung von Geimpften und Ungeimpften sei auch vor dem Hintergrund des mit der Zeit sinkenden Impfschutzes Geimpfter und der ansteckenden Delta-Variante schwierig:
In Bezug auf die Impfung sagt Augsberg: "Wir müssen schon sehen, dass wir eine ganze Reihe an individuellen Entscheidungen akzeptieren." Diesem individuellen Freiheitsrecht stehe das Recht auf Gesundheit des Einzelnen gegenüber: "Die Freiheit endet an der Freiheit des anderen - und auch die Gesundheit des anderen ist im Grunde ein Freiheitsrecht."
Augsberg: "Impfpflicht beginnt nicht erst bei Bußgeldern"
Die Definition einer Impfpflicht ist laut Augsberg recht "vage". In Deutschland und Österreich gebe es bereits eine Art Impfpflicht, da Ungeimpfte mit staatlichen Mitteln "in eine bestimmte Richtung gedrängt werden". Dies sei eine "gleitende Skala":
Momentan erlebe man eine "mittelbare Impfpflicht". Laut Augsberg ist es wünschenswert, die Impfpflicht künftig klarer verfassungsrechtlich zu thematisieren.
Österreich verschärft Regeln für Ungeimpfte drastisch
Ein landesweiter Lockdown für Ungeimpfte ist in Österreich am Montag in Kraft getreten. Er gilt zunächst für zehn Tage für alle Menschen ab zwölf Jahren, die weder über einen Impfnachweis noch über den Nachweis einer in den vergangenen 180 Tagen überstandenen Corona-Infektion verfügen. Ungeimpfte dürfen ihre Wohnung nur noch für Lebensmittel-Einkäufe, Arbeit oder Ausbildung, Arztbesuche sowie zur körperlichen Erholung verlassen.
Die Wirkung des Lockdowns für Ungeimpfte zeige sich noch nicht so ganz, berichtet ZDF-Korrespondent Wolf-Christian Ulrich. Auch habe er "keine Kontrollen" gesehen. Eine Wirkung habe die Maßnahme dennoch: Es hätten sehr viele Leute vor den Impfzentren angestanden. Und: "Jeder Dritte [von ihnen] holt sich eine Erstimpfung", so Ulrich.
Koll: "Beide am Zuge und keiner so richtig"
Nach Einschätzung von ZDF-Hauptstadtkorrespondent Theo Koll geht die aktuelle Corona-Welle vor allem auf das Konto der scheidenden Regierung sowie den Ampel-Koalitionären: "Im Grunde sind beide am Zuge und keiner so richtig", so Koll. "Die auslaufende Regierung ist zum Teil auf Jobsuche, die Kanzlerin reist um die Welt und verabschiedet sich".