Trotz Impfungen und 20 Monaten "Pandemie-Erfahrung" fällt die vierte Corona-Welle besonders heftig aus. Was hilft dagegen? Fragen an den Virologen Jonas Schmidt-Chanasit.
Virologe Jonas Schmidt-Chanasit: "Testen gibt aus virologischer Sicht hohe Sicherheit."
Höchstwerte bei den Inzidenzen, steigende Hospitalisierungsraten, viele Tote: Die vierte Corona-Welle trifft Deutschland heftiger als die Wellen zuvor. Ein harter Corona-Winter droht. Nach viel Kritik an ihren Corona-Plänen einigten sich SPD, Grüne und FDP auf verschärfte Maßnahmen.
Teil-Lockdown für Ungeimpfte und eine Testpflicht in Bus und Bahn - so wollen die Ampel-Parteien ihre Maßnahmen nachbessern. Doch reicht das aus? Fragen an den Virologen Jonas Schmidt-Chanasit.
Das sagt Schmidt-Chanasit…
… zur Wirkung der Impfung:
"Wir müssen die Situation, die wir heute haben, mit der von vor einem Jahr vergleichen. Und da fällt natürlich auf, dass das Infektionsgeschehen, der Infektionsdruck wesentlich höher ist. Wir haben natürlich weniger Maßnahmen, weniger Einschränkungen. Und da sehen wir eben auch, wie gut die Impfung wirkt: Es liegen ja nicht viel mehr [Menschen] auf Intensivstationen, es werden nicht viel mehr Menschen hospitalisiert, insofern sieht man ganz klar, welche Wirkung die Impfung hat: Sie verhindert zuverlässig Tote und schwere Verläufe, das ist ganz entscheidend.
Aber: Was wir beachten müssen, ist, dass auch wenn man geimpft ist, man die Infektion weitergeben kann, dass man infektiös ist. Das sehen jetzt einige Bürgerinnen und Bürger, die Impfdurchbrüche haben. Aber das, was die Impfung sehr gut leistet, ist, dass sie vor schwerer Erkrankung und vor Tod schützt."
… zu möglichen Mitteln, um Krankenhäuser zu entlasten:
"Das ist natürlich regional sehr unterschiedlich. (…) Da muss natürlich alles dafür getan werden, hier eine Überlastung zu verhindern. Ich denke, es gibt genügend Maßnahmen, die dazu führen können, dass es nicht dazu kommt: Angefangen vom hervorragenden Schutz in den Alten- und Pflegeheimen (…), die regelmäßigen Testungen, natürlich auch die Auffrischimpfungen für die besonders gefährdeten Menschen, so wie die Stiko das empfohlen hat. Und das, was uns schon seit Jahren beschäftigt, strukturelle Defizite - der Pflegenotstand."
Der Alltag fühlt sich anders an als im letzten Pandemie-Herbst – aber auf vielen Intensivstationen gibt es dieselben Szenen: Covid-Patienten belegen verstärkt die Betten, wie in München-Schwabing.
… über eine angebliche "Pandemie der Ungeimpften":
"Das Narrativ 'Pandemie der Ungeimpften' ist nicht exakt. Es ist eine komplexe Situation. Und Christian Drosten hat heute darauf hingewiesen, dass es auch nach wie vor wichtig ist, Geimpfte und Genesene auch zu testen, um gerade in den besonders kritischen Bereichen eine hohe Sicherheit zu gewährleisten."
… über einen Lockdown für Ungeimpfte:
"Das gibt natürlich aus virologischer Sicht eine hohe Sicherheit, wenn man nur Geimpfte und Genesene hat, die zusätzlich getestet sind. Man muss sich jetzt politisch ganz genau überlegen, für welche Bereiche das sinnvoll ist. Ich habe es eben schon skizziert: Gerade wo sich vulnerable Gruppen aufhalten - in Alten- und Pflegeheimen und auch im Bereich der ambulanten Pflege - ist das sicherlich etwas, was man sich überlegen sollte. (...)
Es ist eine Erkrankung, die die Alten betrifft, insofern ist es wichtig, möglichst viele Ressourcen in diesem Bereich einzusetzen."
… über eine mögliche Trendwende nach getroffenen Maßnahmen:
"Sicherlich nicht [früher als in] zwei Wochen, das hat sich etwas verschoben, dass man es etwas früher sieht. Aber im Regelfall wird das zwei Wochen dauern, bis man eine Trendumkehr sieht. (…)
Ich bin mir bewusst, dass wir eigentlich in Deutschland alle Möglichkeiten haben, dagegen vorzugehen. (…) Die Tests spielen da eine ganz wichtige Rolle und natürlich auch die Booster-Impfungen. (…) Und dass wir nach wie vor noch diejenigen erreichen bei der Grundimmunisierung, die wir nicht erreicht haben."
Die Ampel-Parteien verschärfen ihre Corona-Pläne, der Druck auf Ungeimpfte steigt: Nach den Plänen soll etwa in Bussen und Bahnen künftig auch die 3G-Regel gelten.